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Ein unversoehnliches Herz

Titel: Ein unversoehnliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Bravinger
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Befehl, ihn in einen Raum zu begleiten, der einer Offiziersmesse ähnelte und in dem sich außer ihnen beiden niemand aufhielt. Dort musste er dem General wie ein Steward bei seinem Uniformschal zur Hand gehen, der ein wenig verrutscht war. Er strich glatt und faltete, und wenn ihm eine Frage gestellt wurde, grüßte er jedesmal militärisch und schlug die Hacken zusammen.
    »Jawohl, Herr General!«
    Als Nächstes wurde er angewiesen, für den General einen Zinnbecher zu halten, da dieser sich nun die Zähne putzen wollte und ausspucken musste. Es landete ebenso viel Speichel im Becher, wie danebenging und auf Andreas’ Hand spritzte. Wenn das passierte, grüßte er militärisch und schlug die Hacken zusammen.
    »Jawohl, Herr General!«
    Er wagte es jedoch nicht, den Becher zu bewegen, und hielt ihn deshalb krampfhaft fest, während er von einem fieberhaften, schreckerfüllten Unbehagen befallen wurde.
    Malms Anwesenheit in seinem Traum ließ sich dadurch erklären, dass sie kürzlich auf Skeppsholmen zusammen spazieren gegangen waren, wo sie jungen Matrosen und Offizieren begegnet waren und mehrere Panzerschiffe und Torpedoboote gesehen hatten. Andreas hatte ihm daraufhin von seiner Zeit erzählt, bevor er auf die Marineakademie gekommen war: von den schockierenden Rekrutierungsmethoden und empörenden Lebensbedingungen der Matrosen, vom unglaublich rauen Umgangston und der sexuellen Verwilderung an Bord der Schiffe. Er entsann sich zudem einiger junger Männer, die lieber eine Strafe für Meuterei auf sich genommen hatten, als die volle Zeit abzudienen.
    Obwohl Malm ihm höflich zuhörte und ihn reden ließ, hatte Andreas gemerkt, dass es ihn nicht erleichterte, das alles aussprechen zu dürfen. Die grauenvollen Stimmungen während seiner Kadettenzeit wurden vielmehr zu neuem Leben erweckt. Er erzählte sogar zum ersten Mal, dass er fast Selbstmord begangen hätte − als Ausweg, als Befreiung, um sich nicht mehr quälen zu müssen.
    Auch wenn Malm ein alter Bekannter war, erklärte das trotzdem noch nicht wirklich, warum Andreas von ihm geträumt hatte. Für das Spucken galt das Gleiche. Es mochte eine Folge seiner Nasenoperation von vor einem Monat sein. Der ekelerregende Ausfluss, meist blutvermischt, quälte ihn dank des Eingriffs inzwischen nicht mehr. Wochen und Monate hatte er am Schreibtisch mit einem Becher neben sich gearbeitet, in den er immer wieder blutvermischten Speichel spucken musste.
    Völlig unverständlich fand Andreas schließlich, warum Malms Gesicht so bedrohlich gewirkt hatte. Er hatte in Malms Gegenwart seines Wissens niemals Furcht empfunden.
    Jedenfalls hatte Andreas beschlossen, die Wohnung der Eltern zu verlassen und sich in einem wenige Häuserblocks entfernten Hotel einzuquartieren. Es schien ihm die einzige Möglichkeit zu sein, Madeleine vor seiner Familie abzuschirmen. Oder vielmehr, vor seiner Mutter. Als er an der Hotelrezeption stand und sich einschreiben wollte, hörte er wieder die Stimmen, die sich in sein Bewusstsein drängten, die Familie, die drohend hinter seinem Rücken tuschelte.
    Wir müssen ihr Wohlergehen im Auge haben.
    Im Hotel schlief er trotz seiner Sorgen wegen Madeleines bevorstehendem Besuch ruhiger. Bevor Andreas sie am Bahnhof abholen würde, wollte er noch einmal nach seinem Vater sehen. Vielleicht hoffte er auf ein Wunder, er wusste es nicht. Als er die Wohnung betrat, kam sie ihm verändert vor. Frische Luft schien in die Zimmer gedrungen zu sein. Und so erfreute sich sein Vater denn auch bester Laune.
    »Da bist du ja!«, rief er, als Andreas das Zimmer betrat. »Es gibt etwas, worüber ich mit dir reden möchte, Andreas. Vor relativ kurzer Zeit las ich Sprengels ausgezeichnete Übersetzung von Rousseaus Memoiren. Aber ich konnte immer nur an eines denken. Wenn Rousseau an jenem Abend keine Angst vor seinem Meister gehabt und beschlossen hätte, nach Hause zu gehen, obwohl er zu spät kommen würde … und wenn er dann nicht auf die Idee verfallen wäre, fortzulaufen, was er ja auch getan hat, wäre er mit Sicherheit ein guter Bürger geworden … ein tüchtiger Graveur und sonst nichts … und dann wäre es nie zur Französischen Revolution gekommen und Napoleon hätte es so, wie wir ihn kennen, niemals gegeben …«
    Andreas war über die unerwartete Energie seines Vaters gleichermaßen erfreut und überrascht. Dass er über Literatur spricht, muss ein Zeichen der Besserung sein, dachte er. Er setzte sich auf einen Stuhl und entgegnete:
    »Wenn

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