Ein Vampir für alle Fälle
Herveaux nicht töten müssen, als der Leitwolf-Wettkampf in die entscheidende Phase ging, aber Furnan hatte es getan. Seine Amtsperiode sollte mit der Auslöschung seines Gegners beginnen, denn Jackson hätte sich seinen Befehlen niemals untergeordnet und wäre über Jahre hinweg ein Stachel in seinem Fleisch geblieben. Ich fing Gedanken von beiden Seiten auf, ganze Schwaden von Vorstellungen, die so intensiv waren, dass ich brennenden Schmerz im Kopf verspürte. »Beruhigen Sie sich, beide«, bat ich und bemerkte plötzlich Sam hinter mir, seine Wärme, seine sich nähernden Gedanken. »Sam, komm mir bitte nicht so nahe, okay?«
Er verstand und trat einige Schritte zurück.
»Keiner von beiden hat einen von denen ermordet, die gestorben sind, und auch keinen Befehl dazu erteilt. Soweit ich es beurteilen kann.«
»Warum befragen wir nicht Cal Myers?«, fragte Alcide.
»Und wo ist dann meine Frau?«, knurrte Furnan.
»Tot und begraben«, rief da eine klare Stimme. »Und ich werde ihren Platz einnehmen. Cal gehört zu mir.«
Wir alle sahen auf, denn die Stimme kam von dem flachen Dach des Gebäudes. Dort oben standen vier Werwölfe, und die brünette Werwölfin, die gesprochen hatte, stand direkt am Rand. Sinn für Dramatik hatte sie, das musste man ihr lassen. Werwölfinnen besaßen Macht und Status, führten aber keine Rudel... oder nur äußerst selten. Diese Frau aber besaß offenbar nicht nur Macht, sondern trug auch Verantwortung, auch wenn sie kaum größer als 1,60 Meter war. Und sie stand kurz vor der Verwandlung, denn sie war splitternackt. Aber vielleicht wollte sie nur, dass Alcide und Furnan sahen, was sie da bekommen konnten. Und das war eine ganze Menge, sowohl in Quantität als auch in Qualität.
»Priscilla«, sagte Furnan.
Der Name erschien mir so unpassend für eine Werwölfin, dass ich unwillkürlich lächelte - unter diesen Umständen natürlich keine besonders gute Idee.
»Sie kennen sie, Furnan?«, fragte Alcide. »Ist sie Teil Ihres Plans?«
»Nein«, erwiderte ich für ihn. Ich durchforstete all die Gedankenströme, die mich umgaben und die ich klar lesen konnte, und klinkte mich dann in einen ganz bestimmten ein. »Furnan, Cal ist Priscillas Geschöpf«, sagte ich schließlich. »Er hat Sie betrogen.«
»Ich dachte, ich lasse mal ein paar eurer wichtigsten Miststücke ermorden, dann bringt ihr zwei euch schon gegenseitig um«, warf Priscilla ein. »Zu schade, dass es nicht geklappt hat.«
»Wer ist das?«, fragte Alcide Furnan.
»Die Ehefrau von Arthur Hebert, einem Leitwolf aus dem Landkreis St. Catherine.« St. Catherine lag weiter südlich, in der Nähe von New Orleans, und war von Katrina schwer verwüstet worden.
»Arthur ist tot. Wir haben kein Revier mehr«, erklärte Priscilla Hebert. »Deshalb wollen wir eures.«
Okay, das war doch wenigstens deutlich.
»Cal, warum hast du das getan?«, fragte Furnan seinen Leutnant. Cal Myers hätte sich auf das Flachdach flüchten sollen, solange er dazu noch Gelegenheit hatte. Die Furnan-Werwölfe und die Herveaux-Werwölfe zingelten ihn bereits ein.
»Cal ist mein Bruder!«, rief Priscilla. »Ihr krümmt ihm besser kein Haar.« In ihrer Stimme schwang jetzt eine Verzweiflung mit, die vorher nicht darin gelegen hatte. Unglücklich sah Cal zu seiner Schwester hinauf. Er hatte erkannt, in welcher Klemme er steckte, und wollte, dass sie den Mund hielt. Es war sein letzter Gedanke.
Furnans Arm stieß plötzlich aus seinem Ärmel, über und über bedeckt von Haar. Mit enormer Kraft stürzte er sich in das Rudel hinein, das bereits über den Werwolf herfiel. Alcide riss Cal mit seiner Klaue den Schädel auf, als der Verräter zu Boden ging. In hohem Bogen spritzte Cals Blut auf mich hernieder. Hinter mir vibrierte Sam vor Energie der sich ankündigenden Verwandlung, ausgelöst von der Anspannung, dem Geruch von Blut und meinem unwillkürlichen Aufschrei.
Priscilla Hebert stimmte aus Wut und Qual ein lautstarkes Geheul an, und mit einer Anmut, wie nur Tiere sie besitzen, sprang sie von dem Flachdach des Gebäudes hinunter, mitsamt ihrem Gefolge.
Der Krieg hatte begonnen.
Sam und ich flüchteten uns mitten unter die Shreveport-Werwölfe. Als Priscillas Rudel uns einzukesseln begann und schließlich von allen Seiten angriff, sagte Sam: »Ich verwandle mich auch, Sookie.«
Keine Ahnung, wie uns jetzt ausgerechnet ein Collie helfen soll, dachte ich, erwiderte aber: »Okay, Boss.« Sam lächelte leicht verschämt, zog sich aus und
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