Ein Vampir für alle Fälle
konnte die Konturen seines Körpers erkennen und etwas verschwommen auch sein Gesicht. Bills Haut schimmerte leicht, wie die aller Vampire, wenn man mich fragt.
»Pam konnte Cleo telefonisch nicht erreichen«, sagte Bill. »Eric ist nicht im Club, weil er irgendetwas zu erledigen hat. Ihn konnte Pam auch nicht auftreiben. Aber ich habe ihm eine Nachricht auf die Mailbox gesprochen, er ruft sicher zurück. Cleo geht nicht ans Telefon, das ist das Problem.«
»Ist Pam mit Cleo befreundet?«
»Nein, gar nicht«, sagte er emotionslos. »Aber Pam sollte sie in ihrem Lebensmittelgeschäft telefonisch erreichen können, das ist die ganze Nacht geöffnet. Und Cleo geht sonst immer an den Apparat.«
»Warum will Pam sie denn erreichen?«, fragte ich verwirrt.
»Sie telefonieren jede Nacht«, sagte Bill. »Und danach ruft Cleo Arla Yvonne an. Eine Art Telefonkette, und die sollte nicht abreißen, nicht in Zeiten wie diesen.«
Bill stand so rasend schnell auf, dass ich die Bewegung nicht wahrnahm. »Da!«, flüsterte er. Seine Stimme streifte mein Ohr so sachte wie ein Mottenflügel. »Hörst du?«
Ich hörte absolut gar nichts. Reglos lag ich unter der Bettdecke und hoffte inständig, dass diese ganze Sache sich einfach in Luft auflösen möge. Werwölfe, Vampire, Unfriede, Schwierigkeiten ... Aber das Glück blieb mir versagt. »Was hörst du?«, fragte ich und bemühte mich, so leise zu flüstern wie Bill. Ein von vornherein zum Scheitern verdammtes Bemühen.
»Es kommt jemand«, sagte Bill.
Und dann hörte ich ein Klopfen an der Haustür. Ein sehr leises Klopfen.
Ich schlug die Bettdecke zurück und sprang auf. Und weil ich vor lauter Schreck meine Hausschuhe nicht fand, lief ich auf nackten Füßen aus dem Schlafzimmer. Die Nacht war kalt, und weil ich die Heizung noch nicht eingeschaltet hatte, fühlte sich der blanke Holzboden unter den Fußsohlen eisig an.
»Ich mache auf«, sagte Bill, und schon war er vor mir, ohne dass ich seine Bewegung wahrgenommen hatte.
»Jesus Christus, Hirte von Judäa«, murmelte ich vor mich hin und folgte ihm. Wo war eigentlich Amelia? Schlief sie oben oder saß sie noch im Wohnzimmer auf dem Sofa? Hoffentlich schlief sie bloß. Inzwischen war ich schon so verängstigt, dass ich fürchtete, sie könnte tot in ihrem Bett liegen.
Lautlos glitt Bill durch das dunkle Haus, die Diele entlang, ins Wohnzimmer (wo es noch immer nach Popcorn roch) und zur Haustür. Er spähte durch den Türspion, was ich aus irgendeinem Grund so komisch fand, dass ich mir die Hand vor den Mund halten musste, um nicht zu kichern.
Niemand erschoss Bill durch den Spion. Niemand versuchte, die Haustür einzutreten. Niemand schrie.
Die lastende Stille bescherte mir eine Gänsehaut. Herrje, nicht eine einzige Bewegung von Bill bekam ich mit. Jetzt drang seine kühle Stimme plötzlich an mein rechtes Ohr. »Eine junge Frau. Ihr Haar ist weiß oder blond gefärbt, sehr kurz und am Ansatz dunkel. Ein Mensch, sehr schlank, sehr verängstigt.«
Da war sie nicht die Einzige.
Angestrengt versuchte ich mir vorzustellen, wer meine mitternächtliche Besucherin sein könnte. Und auf einmal kam mir ein Gedanke. »Vielleicht ist es Frannie«, flüsterte ich. »Quinns Schwester.«
»Lass mich rein!«, rief da eine Stimme. »Oh, bitte , lass mich rein.«
Es war wie in einer Gespenstergeschichte, die ich mal gelesen hatte. Mir stellte sich jedes Härchen einzeln auf.
»Ich muss dir erzählen, was mit Quinn geschehen ist«, fuhr Frannie fort, und damit war meine Entscheidung getroffen.
»Mach die Tür auf«, sagte ich in normaler Lautstärke zu Bill. »Wir müssen sie hereinlassen.«
»Sie ist ja ein Mensch«, stellte Bill fest, als wollte er sagen: Welchen Ärger kann sie schon machen? Und so schloss er die Haustür auf.
Ich will nicht sagen, dass Frannie wie eine Verrückte hereinstürzte, aber sie verlor auf jeden Fall keine Zeit, ins Wohnzimmer zu kommen und die Tür hinter sich zuzuschlagen. In Rhodes war mein erster Eindruck von Frannie nicht gerade positiv gewesen, da sie sich wenig charmant, ja geradezu aggressiv gegeben hatte. Doch als sie nach dem Bombenanschlag am Krankenhausbett ihres Bruders saß, lernte ich sie etwas besser kennen. Sie hatte ein hartes Leben gehabt, und sie liebte ihren Bruder.
»Was ist passiert?«, rief ich sofort. Frannie stolperte zum nächstbesten Stuhl und ließ sich darauf fallen.
»War ja klar, dass du einen Vampir hier hast«, sagte sie. »Kann ich ein Glas Wasser haben? Dann
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