Ein Vampir für alle Fälle
Bann ziehen sehen. »Ich hole meine Schrotflinte«, sagte ich zu niemand Bestimmtem. Doch ehe ich einen Schritt tun konnte, öffnete Eric schon den eingebauten Schrank bei der Haustür, griff hinein und holte die Benelli heraus. Mit amüsierter Miene reichte er sie mir. Unsere Blicke trafen sich.
Eric hatte sich erinnert, wo ich meine Schrotflinte aufbewahrte. Das konnte er nur aus der Zeit wissen, in der er bei mir gewohnt und sein Gedächtnis verloren hatte.
Als ich meinen Blick wieder abwenden konnte, sah ich Amelia auf selbstgefällige Weise nachdenklich vor sich hin starren. Schon die kurze Zeit, die wir zusammenwohnten, hatte mich gelehrt, dass mir dieser Ausdruck bei ihr gar nicht gefiel. Es bedeutete, dass sie gleich etwas zum Besten geben würde, das mir absolut nicht passte.
»Regen wir alle uns nicht bloß künstlich auf?«, fragte sie rhetorisch. »Vielleicht besteht ja überhaupt kein Grund zur Panik.«
Bill starrte Amelia an, als wäre sie zur Vollidiotin mutiert. Frannie wirkte völlig unbeeindruckt.
»Warum eigentlich«, begann Amelia mit einem kleinen, überlegenen Lächeln, »sollte irgendwer hinter uns her sein? Oder genauer, hinter dir , Sookie. Denn hinter mir sind die Vampire bestimmt nicht her. Aber mal abgesehen davon, warum sollten sie hierherkommen? Du bist nicht von strategischer Bedeutung für die Verteidigung der Vampire. Aus welchem vernünftigen Grund sollten sie dich also ermorden oder entführen wollen?«
Eric hatte einen Rundgang durchs Haus gemacht, um alle Fenster und Türen zu überprüfen, und kam zurück, als Amelia ihre Rede gerade beendet hatte. »Was ist los?«, fragte er.
»Amelia erklärt mir gerade«, erzählte ich ihm, »dass es keinen vernünftigen Grund gibt, warum die Vampire es bei ihrer feindlichen Übernahme von Louisiana auch auf mich abgesehen haben sollten.«
»Natürlich haben sie es auch auf dich abgesehen«, erwiderte Eric, wobei er Amelia kaum beachtete. Einen Moment lang musterte er Frannie, nickte zufrieden, und dann stand er auch schon an einem der Wohnzimmerfenster und sah hinaus. »Sookie ist durch Blutsbande mit mir verbunden. Und jetzt bin ich nun mal hier.«
»Ja«, sagte Amelia langsam. »Vielen Dank, Eric, dass Sie direkt auf dieses Haus zugesteuert sind.«
»Amelia, sind Sie nicht eine Hexe mit großen Zauberkräften?«
»Das bin ich«, erwiderte sie vorsichtig.
»Und ist Ihr Vater nicht ein vermögender Mann mit einer Menge Einfluss in Louisiana? Ist Ihre Mentorin nicht eine berühmte Hexe?«
Tja, da hatte wohl noch jemand Nachforschungen im Internet angestellt. Eric und Copley Carmichael schien einiges zu verbinden.
»Ja«, sagte Amelia. »Okay, die Vampire möchten uns also hier zusammenpferchen. Aber trotzdem, wenn Eric nicht bei uns wäre, müssten wir nicht um unsere Unversehrtheit fürchten.«
»Glaubst du etwa, dass wir eigentlich gar nicht in Gefahr schweben?«, fragte ich. »Bei all den Vampiren, der Aufregung, dem Blutdurst?«
»Wir sind nur von Nutzen, solange wir am Leben sind.«
»Irgendwann stirbt jeder«, sagte ich grimmig, und Bill lachte prustend. So aufgedreht hatte ich ihn noch nie erlebt, und ich sah ihn an. Bill war bereits ganz aufgeregt wegen des bevorstehenden Kampfes, seine Fangzähne waren ausgefahren. Frannie starrte ihn an, doch ihre Miene veränderte sich nicht. Hätte die geringste Chance bestanden, dass sie ruhig und kooperativ blieb, hätte ich Bill gebeten, sie aus diesem künstlichen Zustand zu befreien. Mir gefiel diese stille, unaufgeregte Frannie - dass sie ihren freien Willen eingebüßt hatte, gefiel mir allerdings nicht.
»Warum ist Pam gegangen?«, fragte ich.
»Im Fangtasia ist sie von größerem Nutzen. Die anderen sind heute Abend alle im Club, und sie kann mir berichten, ob sie dort eingeschlossen sind. Es war dumm von mir, sie alle im Fangtasia zu einem Treffen zusammenzutrommeln. Ich hätte ihnen lieber raten sollen, sich in alle Richtungen zu zerstreuen.« So, wie Eric jetzt dreinsah, bestand nicht die Gefahr, dass er diesen Fehler noch einmal machen würde.
Bill stand dicht bei einem der Fenster und lauschte auf die Geräusche der Nacht. Er sah Eric an und schüttelte den Kopf. Niemand da. Noch nicht.
Da klingelte Erics Handy. Eine Minute lang hörte er zu, dann sagte er: »Viel Glück«, und legte auf.
»Die meisten anderen sind im Club«, sagte er zu Bill, der nickte.
»Wo ist Claudine?«, fragte Bill mich.
»Keine Ahnung.« Wieso kam Claudine manchmal, wenn ich in
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