Ein Vampir für alle Fälle
Vampiren zu warnen.«
»Und dafür bin ich dir sehr dankbar.« Mir sank das Herz. Warum nur fielen mir keine beschwörenden Worte ein, die den Schmerz, der geradezu in der Luft lag, lindern konnten? »Glaub mir, ich hätte mich auch gefreut, wenn die Dinge anders gelaufen wären.« Lahm, aber ehrlich.
»Was hast du gegen meinen Bruder?«, fragte Frannie. »Er sieht gut aus, er liebt dich, er hat Geld. Er ist ein großartiger Kerl. Was ist los mit dir, warum willst du ihn nicht?«
Die unverblümte Antwort - dass ich Quinn wirklich mochte, aber nicht die zweite Geige spielen wollte aufgrund der Bedürfnisse seiner Familie - verbot sich aus zwei Gründen: Sie war unnötig verletzend, und ich hätte als Folge davon selbst schwer verletzt werden können. Mrs Quinn mochte nicht bei klarem Verstand sein, doch sie hörte mit sich stetig steigernder Erregung zu. Was würde passieren, wenn sie sich in ihre Tigergestalt verwandelte? Würde sie in den Wald rennen? Oder mich angreifen? All das schoss mir durch den Kopf. Ich musste irgendwas sagen.
»Frannie«, begann ich absichtlich sehr langsam, denn ich wusste nicht, was nun folgen sollte. »Ich habe nichts gegen deinen Bruder. Er ist wirklich ein großartiger Kerl. Aber es spricht einfach zu viel gegen uns als Paar. Ich will ihm nicht im Weg stehen und möchte, dass er eine ganz, ganz wunderbare Frau findet. Deshalb habe ich mit ihm Schluss gemacht. Glaub mir, mir tut es auch weh.« Na also, das meiste stimmte doch sogar, wenn das keine Hilfe war. Aber ich hoffte natürlich, dass Amelia ihre Finger- spitzen gespreizt hielt, um jederzeit eine ordentliche Dosis Magie zu versprühen. Und zwar mit dem richtigen Zauberspruch. Vorsichtshalber trat ich ein paar Schritte von Frannie und ihrer Mutter zurück.
Frannie stand kurz vor einem Wutausbruch, und ihre Mutter wurde immer rastloser. Amelia war unbemerkt an den Rand der Veranda getreten. Der Geruch der Magie wurde stärker. Und einen Augenblick lang schien die Nacht ihren Atem anzuhalten.
Und dann drehte Frannie sich um. »Komm, Mama«, sagte sie, und die beiden Frauen stiegen in Frannies Auto. Ich ergriff die Gelegenheit und rannte auf die Veranda hinauf. Wortlos standen Amelia und ich Seite an Seite da, bis Frannie den Motor angelassen hatte und davonfuhr.
»Aha«, meinte Amelia, »du hast also Schluss gemacht mit ihm.«
»Ja.« Ich war völlig erledigt. »Er hat zu viel Ballast«, sagte ich. Dann erschrak ich. »Mensch, dass ich mich mal bei solchen Worten erwische, hätte ich auch nie gedacht. Vor allem, wenn ich an meinen eigenen Ballast denke.«
»Na, er hatte wenigstens eine Mutter.« Amelia schien ihren hellsichtigen Abend zu haben.
»Ja, er hatte eine Mutter. Übrigens, danke, dass du aus dem Haus gekommen bist, obwohl es übel hätte ausgehen können.«
»Wofür ist eine Mitbewohnerin denn da?« Amelia drückte mich leicht an sich. »Du siehst aus, als könntest du einen Teller Suppe vertragen. Und dann ab ins Bett.«
»Ja«, sagte ich. »Das klingt richtig gut.«
Kapitel 15
Am nächsten Tag schlief ich sehr lange. Und ich schlief wie ein Stein. Ich drehte mich nicht ein einziges Mal um. Ich stand nicht auf, um zur Toilette zu gehen. Und als ich endlich aufwachte, war es schon fast Mittag. Wie gut, dass ich erst gegen Abend im Merlotte's sein musste.
Vom Wohnzimmer her hörte ich Stimmen. Das war der Nachteil an Mitbewohnern. Sie waren da, wenn man aufwachte, und manchmal hatten sie auch Besuch. Egal, Amelia kochte immer sehr viel Kaffee, wenn sie früher aufstand als ich. Und diese Aussicht lockte mich schließlich aus dem Bett.
Da Besuch im Haus war, musste ich erst mal was anziehen, zumal die andere Stimme die eines Mannes war. Ich zog mir das Nachthemd über den Kopf, machte mich im Bad rasch ein wenig frisch und schlüpfte in BH, T-Shirt und Baumwollhosen. Das musste reichen. Dann ging ich auf direktem Weg in die Küche. Ah, Amelia hatte wirklich eine große Kanne Kaffee gekocht. Und sie hatte mir sogar schon einen Becher hingestellt. Herrlich. Ich füllte ihn und steckte eine Scheibe Sauerteigbrot in den Toaster. Die Tür der hinteren Veranda schlug zu. Ich drehte mich überrascht um und sah Tyrese Marley mit einem Armvoll Kaminholz hereinkommen.
»Wo lagern Sie Ihr Holz?«, fragte er.
»Neben dem Kamin im Wohnzimmer steht ein Gestell.« Er hatte das Holz gehackt, das Jason im Frühling neben dem Geräteschuppen gestapelt hatte. »Das ist wirklich nett von Ihnen«, sagte ich etwas
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