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Ein Vampir fuer alle Sinne

Ein Vampir fuer alle Sinne

Titel: Ein Vampir fuer alle Sinne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynsay Sands
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Er hatte von Fällen gehört, in denen Sterbende auf einmal eine ungeheure Energie entwickelten und sich plötzlich besser fühlten, nur um gleich darauf zu sterben. Deshalb fürchtete er, die Zeit könnte ihnen beiden davonlaufen.
    »Jeanne Louise ist hübsch, Daddy«, verkündete Livy aus heiterem Himmel, während er ihr ein Glas Orangensaft einschenkte.
    »Ja«, stimmte er ihr beiläufig zu, doch dann musste er an die Frau denken, die da in Ketten gewickelt in seinem ehemaligen Arbeitszimmer lag. Sie war keine von den Frauen, die von den meisten einhellig als Schönheit bezeichnet wurde. Ihr Gesicht war ein wenig rundlich, aber ihre großen Augen hatten etwas Exotisches, und wenn sie lächelte, war ihr Gesicht wie verwandelt. Es war ihm schon zuvor bei Argeneau Enterprises aufgefallen, wenn er sie bei Gelegenheit hatte lächeln sehen, was genau genommen nur selten der Fall gewesen war. Im Lauf der Jahre hatte er sie wohl mindestens tausendmal in der Cafeteria gesehen, doch er vermutete, dass er ihr umgekehrt nie aufgefallen war. Die meiste Zeit über schien sie in Gedanken vertieft, oder sie saß während des Essens über einen Notizblock gebeugt und grübelte über irgendetwas nach. Hin und wieder setzte sich jemand zu ihr, mal Kollegen, mal Verwandte, und wenn sie dann zum Gruß lächelte, strahlte sie jedes Mal über das ganze Gesicht.
    Dieses Lächeln hatte Paul schon immer fasziniert, weil es aus der schlichten, ernst dreinblickenden Frau eine unerwartete Schönheit machte. Er fand, sie sollte sich öfter von dieser Seite zeigen, weil er sie gern öfter so sehen wollte – und weil er gern derjenige gewesen wäre, der ihr dieses Lächeln auf die Lippen zauberte.
    Aber es hatte sich nie eine Gelegenheit ergeben, sie anzusprechen und irgendwas zu sagen, das eine solche Reaktion hätte hervorrufen können. Außerdem war es ihm immer so vorgekommen, als würde er damit seiner verstorbenen Ehefrau untreu. Er war noch nicht lange Witwer gewesen, als er von Argeneau Enterprises eingestellt wurde. Jerri war gerade mal einen Monat zuvor gestorben, angefahren von einem betrunkenen Autofahrer, als sie auf dem Heimweg von der Arbeit war. Paul war auf sich allein gestellt gewesen und hatte neben der plötzlichen Einsamkeit mehr als genug damit zu tun, die Arbeit bei Argeneau Enterprises mit seiner Rolle als alleinerziehender Vater unter einen Hut zu bringen. Irgendwann hatte er dann das Gefühl, dass er seine Trauer um Jerri überwunden hatte und dass er sich gut um seine Tochter kümmerte, also beschloss er, dies mit einem Urlaub zu feiern, dem ersten seit drei Jahren. Es sollte im Sommer zusammen mit Livy quer durch Europa gehen, dafür hatte er so lange auf seinen Vorgesetzten eingeredet, bis dieser bereit war, für ganze zwei Monate auf ihn zu verzichten. Und dann … dann war Livy krank geworden. Seit gut einem Monat hatte sie über Kopfschmerzen geklagt, also war Paul mit ihr eine Woche vor Reisebeginn zur Kinderärztin gegangen, um sie gründlich untersuchen zu lassen und grünes Licht für den Urlaub zu erhalten. Nie war ihm auch nur der Gedanke gekommen, sie könnte ernsthaft krank sein. Vielmehr war er immer der Meinung gewesen, ihre Kopfschmerzen hätten damit zu tun, dass sie trotz des heißen Sommers zu wenig trank.
    Die Ärztin teilte diese Ansicht und veranlasste eine Reihe von Routineuntersuchungen, von einer simplen Blutabnahme bis hin zur Computertomografie. Am Donnerstag vor Reiseantritt bat die Ärztin darum, noch einmal eine Tomografie zu machen. Das war schon ein wenig beunruhigend, aber die Frau versicherte ihm, dass sie nur ganz sicher sein wollte. Paul verzichtete auf seinen Schlaf nach der Nachtschicht und ging stattdessen mit seiner Tochter noch einmal in die Praxis. Am nächsten Morgen, also am Freitag vor dem Flug nach Europa, brach dann Pauls Welt in sich zusammen.
    Er war gerade nach der letzten Nachtschicht in seinen Wagen im Parkhaus von Argeneau Enterprises gestiegen und malte sich aus, wie er mit Livy englische Burgen besuchte und wie sie beide französische Gerichte aßen, da klingelte sein Handy. Da das Display den Namen der Ärztin anzeigte, nahm er das Gespräch an, während er rückwärts aus der Parklücke rangierte. Die Ärztin ließ ihn mit ernster Stimme wissen, dass die Untersuchungsergebnisse vorlagen, und bat ihn, sofort in die Praxis zu kommen.
    In diesem Moment verspürte er eine eiskalte Hand, die nach seinem Herzen griff und ihn ahnen ließ, was wahre Sorgen waren. Er

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