Ein Vampir für gewisse Stunden: Argeneau Vampir 6
Jetzt waren die Straßen verlassen, und wenn Lucian nicht auf den Tacho achtete, gab sie Gas, weil er sie mit seinen Nörgeleien in den Wahnsinn trieb. Wenn sie die Strecke nicht so schnell wie möglich hinter sich brachte, dann war zu befürchten, dass sie den Wagen noch frontal gegen einen Baum setzte, damit es endlich vorbei war - obwohl sie nicht davon ausgehen konnte, dass dann wirklich irgendetwas vorbei war.
„Da ist es. Fahr langsamer.” Sie nahm den Fuß vom Gaspedal und bremste, während sie überlegte, ob sie wohl für den Rückweg den Bus nehmen konnten. Oder ein Taxi. Hauptsache, sie musste diese Tortur nicht ein zweites Mal über sich ergehen lassen.
„Da”, seufzte Lucian, und sie hielt gleich vor dem „Cottage” an.
Leigh musterte das Gebäude im Stil eines Challets. Sie hätte wissen sollen, dass die Argeneaus andere Maßstäbe an ein Cottage anlegten als sie. Für sie bestand ein Cottage aus zwei bis drei kleinen Zimmern, die alle Grundbedürfnisse erfüllten. Aber das dort war größer als die meisten normalen Wohnhäuser. Und es sah fantastisch aus. Dankbar dafür, dass die Fahrt endlich vorüber war, stellte sie den Motor ab und öffnete die Tür.
Dabei wäre sie fast über ihre eigenen Füße gefallen, da sie es so eilig hatte, aus dem Wagen zu kommen. Julius’ Bellen verriet ihr, dass der Hund aufgewacht war. Sie machte die hintere Tür auf, während Lucian zum Kofferraum ging. Julius sprang heraus und zog die Leine hinter sich her. Leigh bekam sie zu fassen und hielt den Hund zurück, wobei sie den Mund verzog, als sie merkte, dass die Leine auch voll gesabbert war.
„Kannst du den Koff.... ” Lucians Bitte hatte sich im gleichen Moment erledigt, als Leigh auf der Fernbedienung die Taste betätigte, die die Kofferraumklappe entriegelte. Er holte die Reisetaschen und die Kühltasche heraus. Schon wieder mussten sie auf ihre eigene Kleidung verzichten, aber zumindest hatten die Männer daran gedacht, Hundefutter für Julius mitzubringen. Rachel hatte ihnen Lebensmittel und Getränke eingepackt, dazu Kleidung von sich und Etienne.
Von ihr stammte auch die Kühltasche mit dem Vorrat, der für ein paar Tage reichte.
Lucian schaffte es, alles auf einmal ins Haus zu tragen, und schüttelte den Kopf, als Leigh ihm ihre Hilfe anbot. Mit einem Schulterzucken folgte sie ihm zur Haustür und zog Julius mit sich. Der Mastiff war gut erzogen worden, da er immer dicht an ihrer Seite blieb und sich prompt hinsetzte, als sie auf der Veranda vor der Tür warten mussten. Leigh tätschelte beiläufig seinen Kopf, während Lucian hartnäckig versuchte, nicht nur alle Taschen festzuhalten, sondern dabei auch noch die Tür aufschließen wollte. Nach ein paar Sekunden verlor sie die Geduld, ging um ihn herum und nahm ihm resolut den Schlüssel aus der Hand.
„Du musst lernen, Hilfe von anderen anzunehmen”, brummte sie ihn an, während sie den Schlüsselbund durchsuchte. „Du kannst nicht alles selbst erledigen und kontrollieren. Sogar Superman kommt manchmal nicht ohne seine Lois Lane und Jimmy zurecht.” Er presste die Lippen aufeinander und folgte ihr mürrisch, nachdem sie aufgeschlossen hatte.
Leigh schloss die Tür, da fiel ihr ein, dass sie Julius draußen vergessen hatte, als sie die Leine gegen den Schlüsselbund eintauschte. Der Hund zog die Leine jetzt durch den Garten hinter sich her, lief von einem Baum zum nächsten und markierte ihn. Erst als er zufrieden mit seiner Arbeit war, kam er auf die Veranda zurück, trottete ins Haus und wartete geduldig, bis Leigh ihm die Leine abgenommen hatte.
„Braver Hund”, lobte sie, während der mit seiner Zunge über ihre Hand fuhr, dann schloss sie die Tür ab und betrachtete voller Verwunderung ihr neues vorläufiges Zuhause.
Das Parterre wurde komplett von einem Wohnzimmer in Beschlag genommen, in einer Ecke fand sich eine kleine offene Küche. Die zum See gelegene Wand war vom Boden bis zur Decke verglast, man hatte viel Holz verarbeitet, und alles war in hellen Farben gehalten. Sie ignorierte Lucian, der sich in die Küche begeben hatte, nahm die Tasche mit der Kleidung und stellte sie auf die unterste Stufe der Treppe ins Obergeschoss. Dort waren die Schlafzimmer, und sie wollte nicht gerade diese Tasche unten vergessen, wenn sie in den ersten Stock ging, um sich dort umzusehen. Für den Augenblick gab es jedoch im Parterre mehr als genug zu sehen.
Ihr Blick wanderte über die bequeme Polstergarnitur und die Tische aus Holz und Glas,
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