Ein Vampir für gewisse Stunden: Argeneau Vampir 6
„Du musst das nicht machen.” Er wurde langsamer, blieb stehen und sah sie fragend an.
„Was mache ich denn?”
„Du möchtest dich bestimmt lieber an der Jagd auf Morgan beteiligen. Ich weiß, du hattest diese Jagd aufgegeben, um während meiner Wandlung auf mich aufzupassen. Aber es ist unfair, wenn du jetzt schon wieder darauf verzichten sollst, wo er nun auch noch hergekommen ist. Du musst mich nicht in ein Hotel bringen, da kann ich auch allein hinfahren und für alle Fälle Julius mitnehmen. Dann könntest du auf die Jagd gehen.”
Lucian lächelte sanft und strich ihr mit der Hand über die Wange, während er den Kopf schüttelte. „Leigh, deine Sicherheit ist mir wichtiger als alles andere.”
„Du wirst mich nicht dafür hassen?”, fragte sie unsicher, „dass du meinetwegen.... ”
„Natürlich nicht”, versicherte er ihr, als habe sie etwas unglaublich Albernes gesagt. Als sie immer noch nicht überzeugt zu sein schien, fuhr er fort: „Leigh, ich lebe seit Tausenden von Jahren, und die meiste Zeit war ich ein Krieger. Ich habe so viele Abtrünnige gejagt und zur Strecke gebracht, dass ich längst die Übersicht verloren habe. Ich muss mir nichts beweisen, und ich verspüre auch kein brennendes Verlangen, Morgan persönlich zu jagen. Wenn er es auf dich abgesehen hat, dann will ich vor allem für deine Sicherheit sorgen. Die anderen dürfen ihn gern zur Strecke bringen. Außerdem wird immer wieder irgendein Abtrünniger zu jagen sein.”
Als Leigh erleichtert die Schultern sinken ließ und sie flüchtig lächelte, musste auch er lächeln. Dann nahm er ihre Hand, damit sie zu den anderen aufschließen konnten.
„Du kannst jetzt die Scheibenwischer ausmachen. Der Regen hat aufgehört.” Leigh knirschte mit den Zähnen und legte den Schalter um. Seit zwei Stunden waren sie jetzt unterwegs, und vor einer halben Stunde hatte Julius aufgehört, auf ihre Schulter zu sabbern, und sich auf der Rückbank schlafen gelegt. Sie wünschte, Lucian würde auf seinem Beifahrersitz ebenfalls einschlafen, da er ihr den letzten Nerv raubte.
Alles war genau nach Plan verlaufen, nur eine Sache nicht. Sie waren zu Rachel nach Hause gefahren, Greg und Etienne brachten Julius hin, dann diskutierten sie einige Stunden, wie sich jeder von ihnen verhalten sollte, falls es Probleme gab.
Dann waren sie vom Haus in die Garage gegangen, aber als Lucian auf dem Fahrersitz Platz genommen hatte, da war der Plan ins Stocken geraten. Rachel fuhr einen Wagen mit Gangschaltung, doch Lucian konnte zu Leighs Erstaunen nur mit Automatik umgehen. Vermutlich hatte er bis zur Erfindung der Automatik immer einen Fahrer gehabt, sodass es für ihn keinen Grund gab, sich mit einer Gangschaltung auseinanderzusetzen. Leigh war so dumm gewesen, das Problem aus der Welt zu schaffen, indem sie erklärte, sie könne mit Gangschaltung fahren. Seit zwei Stunden bereute sie in jeder Minute, dass sie das gesagt hatte.
Lucian war ein Beifahrer der schlimmsten Sorte. Du fährst zu schnell.... Du bist zu langsam.... Dreh die Heizung höher.... Mach den Scheibenwischer aus.... Du hättest früher blinken sollen, damit sich dein Hintermann darauf einstellen kann, dass du abbiegen willst.... Und dabei waren sie die einzigen Idioten, die nachts um drei auf dieser Strecke unterwegs waren!
Wenn sie als seine Lebensgefährtin vermeiden wollte, dass sie ihm den Hals umdrehte, dann würde sie sich nie wieder ans Steuer setzen, falls sie zusammen unterwegs waren. Einen Augenblick später staunte sie über das, was sie soeben gedacht hatte. Das kam einem Eingeständnis gleich, dass Thomas’, Lissiannas und Rachels Ausführungen und Beteuerungen Wirkung zeigten. In gewisser Weise jedenfalls. Naja, vielleicht. Sie wollte auf keinen Falletwas überstürzen.
Sie konnte eine Weile mit ihm ausgehen, und dann würden sie ja sehen, wie sie miteinander auskamen. Und dann, irgendwann - vielleicht in ein oder zwei Jahren, wenn sie sich wirklich gut verstanden —, konnten sie sich diese Idee mit dem Lebensgefährten ja mal durch den Kopf gehen lassen. Sie hatte einmal voreilig geheiratet und bereute es noch heute. Ein zweites Mal würde sie das nicht tun.
„Da vorn rechts”, sagte er plötzlich und riss sie aus ihren Gedanken. Sie setzte den Blinker und bog ab, wobei sie hoffte, dass sie bald am Ziel angekommen sein würden. Thomas hatte von einer zweieinhalbstündigen Autofahrt bis zum Cottage gesprochen, aber das galt für andere Verkehrsverhältnisse.
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