Ein Vampir für gewisse Stunden: Argeneau Vampir 6
gerichtet war. Die baumelte mit den Beinen und wirkte wie ein Kind, das noch mal in Gedanken durchging, was es bislang gelernt hatte. Dabei rutschte der Bademantel an ihren Knien auseinander und gab den Blick auf ihre Oberschenkel frei. Es sah verdammt sexy aus, aber aus einem unerfindlichen Grund ärgerte ihn das. Mit finsterer Miene konzentrierte er sich wieder auf den Mopp und sagte sich, dass seine Verärgerung mit ihren Fragen zu tun haben musste, mit denen sie ihn in den Wahnsinn trieb. Langsam kehrte die Erinnerung daran zurück, warum es so lange her war, seit er das letzte Mal einem Neuen durch die Wandlung geholfen hatte. Ihm fehlte schlicht die Geduld dafür.
„Und was können wir dann?”, fragte sie schließlich. „Ich meine, ich kenne all die Nachteile: kein Sonnenlicht, Kirchen und Kreuze meiden, weil ich jetzt verflucht und seelenlos bin, aber.... ”
„Wir sind nicht verflucht”, schnitt er ihr das Wort ab. „Wir können eine Kirche betreten, ohne dass wir in Flammen aufgehen, und wir können auch Kruzifixe anfassen. Wir können uns sogar in die Sonne stellen, wir müssen nur zum Ausgleich mehr Blut trinken.”
Leigh sah ihn überrascht an. „Sind Sie sich sicher? Es ist nicht so, als würde ich alles glauben, was ich in einem Film gezeigt bekomme, allerdings habe ich bis zu Morgans Biss auch nicht an Vampire geglaubt. Und in den Filmen sieht man immer, dass Kirchen und Sonnenschein für Vampire nicht gut geglaubt. Und in den Filmen sieht man immer, dass Kirchen und Sonnenschein für Vampire nicht gut sind.”
„Für Unsterbliche”, berichtigte er sie unwillkürlich.
„Und Morgan und die anderen haben alle in Särgen geschlafen”, überging sie seinen Einwurf. „Wenn der Rest nicht stimmt, warum dann die Särge? Muss ich etwas von meiner Heimaterde in dem Sarg aufbewahren?”
Bei dem Gedanken an die mehr als zwanzig Särge im Keller dieses Hauses, die als Ruhestätten für Morgan und die von ihm Gewandelten gedient hatten, verzog er das Gesicht. Es war lange her, seit seine Leute in Särgen geschlafen hatten, um sich vor der Sonne zu schützen.
Einige hatten es als Vorsichtsmaßnahme in jenen Zeiten angesehen, als ihre Häuser noch zugige Hütten mit Rissen in den Wänden und in der Decke waren, durch die Sonnenlicht ins Innere fallen Hütten mit Rissen in den Wänden und in der Decke waren, durch die Sonnenlicht ins Innere fallen konnte, doch das war wirklich schon sehr lange her. Dennoch kam es bei den Abtrünnigen regelmäßig vor, dass sie auf die aus Büchern und Filmen entstandene Mythologie zurückgriffen, um ihre Anhänger zu kontrollieren. Für gewöhnlich behaupteten sie, deren Schöpfer zu sein, ihre Gedanken lesen zu können und genau zu wissen, ob sie ihnen treu waren oder nicht. Was im Übrigen auch alles der Wahrheit entsprach.
Gleichzeitig redeten sie ihnen aber auch ein, sie seien seelenlose wandelnde Tote, und sie ließen sie nicht wissen, dass sie am Tag das Haus verlassen, Kirchen betreten und vieles andere tun durften. Abtrünnige und ihre Anhänger führten mehr oder weniger das Leben eines Vampirs, wie er in drittklassigen Filmen dargestellt wurde, indem sie die Sonne mieden, sich von den Lebenden ernährten und ihre Gefolgschaft wie Sklaven behandelten.
Lucian wusste nicht, warum sich manche so verhielten, andere dagegen ganz normal. Es war fast so, als würde es nach diesem langen Leben, in dessen Verlauf sie so viel mit angesehen hatten, in ihrem Hirn zu einem Kurzschluss kommen. Er kannte Unsterbliche, die tausend Jahre lang ein ganz normales Leben führten und dann von einem Tag auf den anderen zu Abtrünnigen wurden, während das bei anderen schon nach ein paar Jahrhunderten auftrat. In jedem Fall veränderten sie sich in düsterer Weise, benutzten und missbrauchten Sterbliche und wandelten schließlich so viele von ihnen, dass sie mit der großen Zahl von Anhängern einen eigenen Kult begründen konnten. Lucian verstand die Beweggründe nicht, lediglich war ihm aufgefallen, dass es sich stets um Unsterbliche handelte, die ihren Lebensgefährten verloren oder aber noch nicht gefunden hatten. Und das empfand er persönlich als umso beunruhigender, da er selbst auch in diese Gruppe passte. Er wollte nicht so werden. Er musste sich um Marguerite und die Kinder kümmern. Jemand musste ein Auge auf sie haben, seit Jean Claude tot war.
Ein letztes Mal wrang er den Mopp aus, dann verstaute er ihn im Schrank und trug den Eimer zur Spüle, um das Wasser ins
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