Ein Vampir für gewisse Stunden: Argeneau Vampir 6
ist.”
„Ja, ich verstehe”, erwiderte Leigh nachdenklich, wobei ihm auffiel, dass sie in erster Linie damit beschäftigt war, seine nackte Brust zu betrachten. Sie fand es süß, wenn er mürrisch war, und sein Oberkörper schien sie zu faszinieren. Unwillkürlich stellte er sich aufrechter hin und drückte die Brust heraus, als wolle er sich einem Pfau gleich in Pose werfen. Über sein eigenes Verhalten entsetzt, lehnte er sich gegen den Tresen und verschränkte die Arme vor der Brust. Leigh blinzelte frustriert, da er ihr die Aussicht genommen hatte. Sie sah ihm in die Augen und errötete schuldbewusst, als ihr klar wurde, dass er sie ertappt hatte. Nur einen Moment später huschte ein anderer Ausdruck über ihr Gesicht.
„Sie sind der dritte Mann aus der Küche”, stellte sie fest.
Er gab nur einen Grunzlaut von sich und spülte weiter den Eimer aus, dann stellte er ihn zurück in den Schrank unter der Spüle. Auf dem Boden waren immer noch Streifen vom schmutzigen Wasser zu sehen, aber Lucian hatte genug getan. Für den Rest würde er einen Reinigungsdienst rufen, sobald der erreichbar war.... was nur noch wenige Stunden dauern konnte, wie ihm ein Blick zur Uhr verriet.
Das bedeutete aber auch, dass er noch eine Weile aufbleiben musste, was ihm gar nicht gefiel. Von zwei kurzen Nickerchen abgesehen, war er seit vorgestern achtzehn Uhr auf den Beinen. Vor fast vierundzwanzig Stunden hatten sie Morgans Haus in Kansas gestürmt, seit sechsunddreißig Stunden war er mittlerweile wach. Er brauchte dringend Schlaf, und fast genauso sehr sehnte er sich nach einem langen, gemütlichen Bad, damit er den Schmutz von seiner Haut abwaschen konnte.
„Wenn das nicht so was wie ein Fluch ist, was ist es dann?”, wollte Leigh wissen und folgte ihm aus der Küche.
Er seufzte schwer, als er die Küchentür aufstieß. Ihm war klar, dass sie tausend Fragen hatte, aber er fühlte sich einfach zu müde, als dass er auch nur eine einzige davon hätte beantworten wollen. Es war Zeit, einen weiteren Versuch zu unternehmen und jemanden zu finden, der sich an seiner Stelle um sie kümmern konnte. Im Geiste ging er eine Liste potenzieller Kandidaten durch und überlegte, für wen er sich entscheiden sollte.
Da war natürlich immer noch Thomas, nur reagierte der Mistkerl nach wie vor nicht auf seine Anrufe.
Marguerite war in Europa, Lucern und Kate hielten sich in New York auf, ebenso Bastien und Terri. Damit blieben noch Etienne und Rachel, Lissianna und Greg, außerdem Thomas’ Schwester Jeanne Louise. Die Auswahl brachte Lucian ins Grübeln. Lissianna wäre seine erste Wahl gewesen, durch ihre Schwangerschaft jedoch fiel sie für ihn aus. Dabei war sie sein ganz besonderer Liebling, da sie mehr als einmal bewiesen hatte, dass sie sich von ihm nicht so leicht einschüchtern ließ wie ihre Brüder. Ein paar Mal war sie sogar so weit gegangen, ihn anzuschreien. Er respektierte sie dafür, und die Erinnerung daran brachte ihn zum Lächeln.
Nein, so kurz vor der Geburt seiner ersten Großnichte oder seines Großneffen würde er sie nicht behelligen. Und was Etienne und Rachel anging.... Rachel hatte ihm bislang nicht seine Drohung verziehen, er werde sie vernichten, als sie sich nach ihrer Wandlung geweigert hatte, seine Anweisungen zu befolgen, und sich mit Etienne eingelassen hatte. Wenn er sich mit diesem hitzköpfigen Rotschopf in einem Raum befand, starrte Rachel ihn an, als sei er der Leibhaftige persönlich. Ihrem Einfluss wollte er Leigh lieber nicht ausgesetzt wissen.
Damit blieb noch Jeanne Louise.
„Lucian?”
Auf der Treppe blieb er stehen und drehte sich überrascht zu ihr um. Es war das erste Mal, dass Leigh seinen Namen aussprach. Ihm war nicht mal klar, woher sie seinen Namen überhaupt wusste, aber vermutlich hatte sie ihn mitbekommen, als er über Lautsprecher mit Marguerite telefonierte. Wie sie mit ihrer sanften Stimme den Namen sagte, das löste ein sonderbares Flattern in seinem Bauch aus - ein Gefühl, das er schnell wieder verdrängte, während er fragend die Augenbrauen hob.
Leigh blieb einige Stufen unter ihm stehen und wiederholte die Frage, auf die von ihm noch keine Antwort gekommen war: „Was sind wir, wenn wir nicht verflucht sind?”
Er musterte sie in ihrem weiten Bademantel, wie sie dastand. Ihm fiel auf, dass sie fast einen Kopf kleiner war als er. Dass sie zudem einen kurvenreichen Körper vorweisen konnte, war eine Eigenschaft, die ihn lange Zeit bei keiner Frau interessiert hatte.
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