Ein Vampir für gewisse Stunden: Argeneau Vampir 6
sollte.”
Rachel hob amüsiert die Augenbrauen. „Das ist dein Problem. Was ist los, Lucian? Hast du etwa Angst vor ihr?”
Er warf ihr einen stechenden Blick zu. „Ich lebe schon zu lange, als dass mir auf dieser Welt noch irgendetwas oder irgendjemand Angst machen könnte.”
„Hmm, ja. Ich schätze, du hast in deinem Leben eine Menge gesehen und getan”, stimmte sie ihm zu und fügte hinzu: „Akzeptiere das Leben, wie es ist.”
„Rachel”, warf Etienne warnend ein.
„Würdest du mir freundlicherweise erklären, was das heißen soll?”, fuhr Lucian sie an.
„Hast du in deinem Leben jemals jemanden geliebt, wenn man von diesem kläglichen Exemplar eines Mannes absieht, der dein Bruder war?”
„Klingt ja ganz so, als hätte da jemand über die Toten geplaudert”, konterte er und sah dabei zu Etienne.
„Wenn du von Toten redest, meinst du dann dich oder deinen Bruder?”, gab Rachel zurück. „Jean Claude war der Einzige, der dir in Tausenden von Jahren etwas bedeutet hat, und er war es nicht mal wert. Na ja, jetzt sitzt eine Frau in deiner Küche, die du nicht lesen kannst. Und wir wissen ja alle, was das bedeutet.”
„Es bedeutet, dass ich müde bin und mich ausschlafen muss, damit ich sie lesen und kontrollieren kann”, erwiderte er schroff.
Rachel schnaubte belustigt. „Ja, ja, red dir das ruhig ein.” Sie ging zur Haustür, dann blieb sie stehen und drehte sich zu ihm um. „Versuch, mich zu lesen.”
„Was?” Diese Herausforderung kam völlig unerwartet.
„Lass uns herausfinden, ob es tatsächlich nur Müdigkeit ist.”
„Nein”, widersprach er, doch gegen seinen Willen suchte er prompt nach ihrem Geist. Der eine Gedanke, den er dann auffing, traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht.
Feigling.
Rachel lächelte, als sie seine Reaktion bemerkte. Es war ein breites, zufriedenes Lächeln. „Mich kannst du lesen.... obwohl du so übermüdet bist.” Lucian reagierte gar nicht auf ihre Bemerkung, doch seine Gedanken überschlugen sich längst. Er hatte Rachel gelesen und sich dabei nicht einmal anstrengen müssen.
„Aber Leigh kannst du nicht lesen”, redete sie weiter und hatte sichtlichen Spaß dabei. „Sie ist deine Lebensgefährtin.... und deshalb solltest du tatsächlich große Angst haben.”
„Und warum bitte?”
„Ich weiß doch, was für ein kaltherziger Mistkerl du bist, deshalb wirst du das wahrscheinlich völlig verbocken, und sie wird die Flucht vor dir antreten. Und damit wird dir das Beste entgehen, was dir vielleicht jemals hätte widerfahren können.”
Lucian biss die Zähne zusammen und schwieg. Er hoffte, wenn Rachel erst einmal Dampf abgelassen hatte, dann würde sie ihre Wut auf ihn vielleicht überwinden können. Es würde ihnen allen das Leben erleichtern.
Sie klopfte ihm auf die Schulter und meinte amüsiert: „Wollen wir hoffen, dass dich der Verlust nicht zu einem Abtrünnigen werden lässt. Sonst müssen wir dich jagen und vernichten, und ich würde nur ungern Marguerite und Lissianna in Aufregung versetzen wollen, die doch beide aus mir unerfindlichen Gründen große Stücke auf dich halten.”
Dann ging sie aus dem Haus, gefolgt von Etiennes skeptischem Blick. Der schüttelte den Kopf und wandte sich an seinen Onkel. „Sonst schlafen wir um diese Zeit längst, und sie ist müde”, versuchte er eine halbherzige Erklärung.
„Ich bin mir sicher, du kommst mit Leigh gut zurecht. Und wenn du irgendeinen Ratschlag brauchst, dann ruf mich einfach an.”
sah Lucian ihm nach. Etienne war der Letzte, von dem er sich einen Ratschlag holen würde. Großer Gott, fast hätte der Junge seine eigene Beziehung zu Rachel in den Sand gesetzt, und ohne das Einschreiten seiner Mutter hätte er sie ganz sicher verloren. Außerdem, sagte sich Lucian und schloss die Tür, irrt sich Rachel. Leigh ist nicht meine Lebensgefährtin. Er ließ den Kopf gegen das kühle Holz der Tür sinken und schloss die Augen, während ihm Rachels Worte wieder und wieder durch den Kopf gingen. Diese Frau mochte ihn nicht, und das färbte auf alles ab, was mit ihm zusammenhing.
Doch auch wenn er es noch so sehr leugnete, konnte sie mit ihren Äußerungen durchaus richtigliegen.
Eines der Anzeichen für einen Lebensgefährten ihrer Art war nun einmal die Tatsache, dass man dessen Gedanken nicht lesen und ihn nicht kontrollieren konnte. Von seiner vor langer Zeit verstorbenen Frau abgesehen, war ihm dieses Problem nie begegnet, weder bei Sterblichen noch bei eben erst
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