Ein Vampir für gewisse Stunden: Argeneau Vampir 6
runtergefallen.” Sie verzog den Mund. „Ja, genau. Ich habe sie fallen lassen. Ich kann mich daran erinnern, wie sie auf dem Fußweg landete.”
„Sie wird wohl kaum noch da liegen”, meinte Rachel. „Die werden sie mitgenommen haben, als man Sie zu dem Haus gebracht hat. Falls ja, können wir sie wiederbeschaffen.” Diese Worte bewirkten bei Leigh keine Erleichterung, sondern ließen sie erst recht den Mut verlieren.
„Was denn?”, wunderte sich Rachel. „Wenn die Tasche noch im Haus ist, können wir jemanden hinschicken, der sie abholt.” Sie sah zu Etienne. „Stimmt doch, oder?”
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie das Haus in Brand gesteckt haben”, brachte Leigh heraus. „Außer, ich habe das nur geträumt.”
„Nein, das haben Sie nicht geträumt.” Die Entgegnung veranlasste alle drei, zur Küchentür zu schauen, wo Lucian stand. Seine Haare waren noch feucht vom Bad, er trug eine blassblaue Jeans und ein schlichtes weißes T-Shirt, das sich verlockend um seine muskulöse Brust schmiegte. Dieser Mann sah einfach zum Anbeißen aus, fand Leigh. „Wir haben das Haus niedergebrannt, bevor wir uns zurückgezogen haben.”
„Warum?”, fragte Rachel erstaunt, doch dann verstand sie.
„Um jeden Beweis zu vernichten, dass sich diese Meute jemals dort aufgehalten hat.”
Lucian nickte bestätigend und sah zu Leigh. „Das ist eine weitere Regel: Sie meiden Krankenhäuser, die Polizei und andere Behörden der Sterblichen um jeden Preis. Wenn Sie sich verletzt haben, suchen Sie weder ein Krankenhaus noch einen Arzt auf. Wenn eingebrochen wurde, rufen Sie nicht die Polizei. Nehmen Sie mit Bastien Kontakt auf. Wir lösen all unsere Probleme selbst. Wir dürfen nicht das Risiko eingehen, dass jemand in einer öffentlichen Position auf irgendeinen Hinweis stößt, der unsere Existenz verraten könnte.”
Leigh nickte verstehend und schaute Rachel an, als die auf einmal ihre Hand tätschelte.
„Das ist nicht so schlimm. Ausweise und Kreditkarten lassen sich ersetzen”, sagte die Rothaarige.
„Ja, aber bis dahin habe ich weder das eine noch das andere”, wandte Leigh ein. Ihr missfiel die Vorstellung, von der Freundlichkeit dieser Leute abhängig zu sein, die wirklich nett zu sein schienen, aber letztlich Fremde waren. Sie hatte zu lange auf eigenen Beinen gestanden, deshalb gefiel ihr diese Entwicklung gar nicht.
Rachel seufzte und warf Lucian einen wütenden Blick zu, da sie offenbar ihm die Schuld an dieser Misere gab. Der zuckte mit den Schultern und ließ erkennen, wie viel er mitgehört hatte, als er hinzufügte: „Ich bin nicht derjenige, der die Tasche im Haus zurückgelassen hat.”
Leigh schnitt eine Grimasse in seine Richtung, während er sich gegen den Tresen lehnte. Sie hatte die Handtasche schließlich nicht aus Nachlässigkeit zurückgelassen. Sie war schwach und krank gewesen, und sie hatte versucht, ihren Kidnappern zu entkommen. Da war keine Zeit gewesen, sich um ihre Handtasche zu sorgen.
„Keine Sorge, Bastien wird das schon erledigen”, beteuerte Etienne. „Er hat ständig mit solchen Angelegenheiten zu tun.”
„Wir rufen ihn in New York an, sobald wir wieder zu Hause sind”, versicherte Rachel ihr, korrigierte sich dann jedoch nach einem Blick auf die Wanduhr: „Besser gesagt, wir werden später am Tag anrufen, denn jetzt wird er noch schlafen.” Etienne stand auf und trat zu ihr.
„Wohin wollt ihr?”, fragte Lucian irritiert, als Rachel ihren Mann zur Tür dirigierte.
„Nach Hause”, antwortete Etienne.
Leigh sah von der langsam zufallenden Tür zu Lucian, der plötzlich zügig die Küche durchquerte. Er bewegte sich schnell, sehr schnell sogar. Wie ein Videobild im Suchlauf. Als auch hinter ihm die Tür zufiel, wunderte sich Leigh, warum er so in Panik zu geraten schien, nur weil die beiden aufbrachen.
8
„Wartet!” Lucian lief durch den Flur hinter den beiden her und holte sie ein, als sie an der Haustür stehen blieben, um Schuhe und Jacken anzuziehen. „Was ist mit der Frau?”
„Du meinst Leigh?”, gab Rachel bissig zurück.
„Ja, Leigh.
„Was soll mit ihr sein?”, fragte sie und streifte ihre Jacke über. „Marguerite bat uns herzukommen, damit wir ihr einiges erklären, aber das hattest du inzwischen ja schon erledigt.”
Lucian machte eine wegwerfende Handbewegung. „Sie muss ausgebildet werden. Sie muss lernen, wie sie ihre Zähne kontrolliert und all den anderen Kram, mit dem sich ein frischgebackener Vampir auskennen
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