Ein Vampir für gewisse Stunden: Argeneau Vampir 6
plötzlich Witwe.”
„Eine reiche Witwe”, präzisierte Leigh. „Das war die nächste Neuigkeit, die mir der Detektiv überbringen konnte. Kenny hatte sich in der Zwischenzeit gut gemacht, sowohl bei seinen Investitionen als auch im Beruf. Er war Juniorpartner in seiner Firma geworden. Sein Vater war ein Jahr zuvor gestorben, und der hatte ihm noch ein beträchtliches Erbe hinterlassen.”
„Und davon haben Sie dann das Coco’s gekauft?”
„Richtig.” Leigh senkte den Blick. „Das Coco’s ist auch der einzige Grund, weshalb ich das Geld überhaupt nahm.”
Lucian stutzte. „Das verstehe ich nicht.”
„Mir gefiel mein Leben so, wie es war. Ich mochte die Arbeit im Restaurant, ich mochte die Leute.... Es gab nichts, was mich nach Massachusetts zurückzog. Nicht mal das Geld, denn das war Kennys Geld, und mit ihm wollte ich in keiner Weise mehr etwas zu tun haben. Aber nachdem der Privatdetektiv gegangen war, nahm Earl mich zur Seite. Er hatte das ganze Gespräch mitbekommen und gemerkt, dass ich das Geld nicht wollte.” Sie lächelte flüchtig. „Earl war wirklich gut darin, andere Menschen zu durchschauen.”
„Er hat Sie überzeugt, das Geld zu nehmen”, folgerte Lucian leise.
„Ja. Earl wollte in den Ruhestand gehen und nach Kalifornien ziehen, damit er näher bei seiner Tochter sein konnte. Aber die Bar wollte er nur verkaufen, wenn der neue Eigentümer ihm garantierte, keinen Angestellten zu entlassen. Er war uns gegenüber genauso loyal eingestellt wie umgekehrt, müssen Sie wissen. Am nächsten Tag saß ich im Zug nach Massachusetts, und sechs Monate später wurde ich die stolze Eigentümerin des Coco’s.” Sie grinste Lucian an. „Und seitdem habe ich ein ruhiges und zufriedenes Leben geführt.... bis zu jener Nacht, in der mir Donny auf der Straße auflauerte.”
Lucian betrachtete sie schweigend. In ihrem jungen Leben hatte sie schon so viel verloren, sie hatte kämpfen müssen, um einem brutallen Ehemann zu entrinnen und ihre Selbstständigkeit zu erlangen. In den beiden Jahren, in denen sie sich vor Kenny verstecken musste, hatte sie zweifellos gelitten, aber sie hatte es überlebt und sich zu einer strahlenden Frau entwickelt. Doch sie war damit auch auf Distanz zu anderen Leuten gegangen, ganz so wie er selbst nach dem Tod seiner Frau und seiner Kinder.
Frustriert ging ihm durch den Kopf, dass er es bei Leigh langsam angehen lassen wollte. Er war kein geduldiger Mensch, und in diesem Moment wollte er nichts lieber, als mit ihr nach Hause zu fahren, sie zu lieben, sie festzuhalten und zu beschützen, um sicherzustellen, dass sie nie wieder auf etwas verzichten musste. Doch darauf würde Leigh nicht gut reagieren, das wusste er. Sie hatte zu hart für ihre Unabhängigkeit gekämpft und würde die nicht so schnell aufgeben. Außerdem war er sich sicher, dass sie anderen Menschen nicht leichtfertig vertraute.
„Das wärs”, schloss sie unbeschwert. „Jetzt wissen Sie alles über mich.” Nicht alles, dachte er. Er wusste nicht, wie sie schmeckte, wie sie sich in seine Arme schmiegte, wie sich ihr Haar in seinen Händen anfühlte oder ihre Haut auf seiner.... „Ich schätze, unser nächster Zwischenstopp ist ein Drogeriemarkt.”
Lucian stutzte, und erst jetzt fiel ihm auf, dass sie die Einkaufsliste aus der Tasche geholt hatte.
„Ich brauche Shampoo, Zahnpasta und so weiter, Sie brauchen Rasierklingen”, betonte sie.
„Ja”, bestätigte er. Als er nach unten sah, stellte er fest, dass er den Cappuccino ausgetrunken und die Schnecke aufgegessen hatte, ohne bewusst etwas davon mitzubekommen. „Ich hätte nichts dagegen, wenn wir auch noch in die Buchhandlung gehen”, sagte er, während er sich zum Aufstehen zwang.
„Bei so vielen Büchern, die in Marguerites Bibliothek stehen?”, fragte sie überrascht.
„Die meisten davon habe ich bereits gelesen”, erwiderte er.
„Wenn Sie mir sagen, welche Marke Rasierklingen Sie brauchen, kann ich Ihnen die gern mitbringen. Dann können Sie schon in Ihre Buchhandlung gehen.”
„Wissen Sie, ich glaube, auf dem Rückweg zu Marguerites Haus fahren wir bei mir vorbei. Dann kann ich meinen eigenen Rasierer mitnehmen. Und auch noch etwas Kleidung.” Er verzog das Gesicht. „Genau wie Sie habe ich in den letzten Tagen geborgte Kleidung getragen, und es wäre schön, mal wieder etwas anzuziehen, das mir auch gehört.”
„Sie wohnen auch hier in der Nähe?” Lucian nickte. „Warum sind wir dann bei Marguerite
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