Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Vampir für jede Jahreszeit

Ein Vampir für jede Jahreszeit

Titel: Ein Vampir für jede Jahreszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynsay Sands
Vom Netzwerk:
im Kanal eine ganze Handvoll der künstlichen Strähnen ausgerissen hatte, hatte das jedenfalls höllisch wehgetan. Wenigstens waren keine kahlen Stellen zurückgeblieben. Möglicherweise könnte sie die letzten Haarteile ja doch selbst lösen.
    »Wird es jemals besser?«
    »Was?«, fragte Mirabeau, die sich ganz auf ihre Frisur konzentriert hatte.
    »Der Schmerz, den man spürt, weil man sie verloren hat?«, sagte Stephanie leise und Mirabeau nahm schon an, dass sie von den Extensions sprach. Dann fügte Stephanie aber hinzu: »Tiny hat mir erzählt, dass du deine Familie ebenfalls verloren hast und ich … manchmal tut es so sehr weh und man merkt dir an, dass du immer noch unter dem Verlust leidest, und ich …«
    Mirabeau hörte auf, an ihren Haaren herumzuzupfen und drehte sich nach dem Mädchen um. Ihr Gesicht war von Leid verzerrt, und Mirabeau spürte Panik aufsteigen. In Gefühlsdingen war sie nicht besonders gut und mied sie normalerweise wie die Pest. Doch Stephanie ging es offensichtlich sehr schlecht, und momentan war sonst niemand da, der ihr helfen konnte. Sie schluckte schwer, ging zum Bett hinüber und setzte sich neben Stephanie auf die Bettkante, wo sie sie erst einmal anstarrte und dann widerstrebend in einer, wie sie hoffte, tröstenden Geste eine Hand auf ihr Bein legte. Schließlich räusperte sie sich und sagte: »Ja, es tut weh. Und ich spüre den Schmerz gerade wieder, weil mich deine Situation so sehr an meine eigene erinnert. Auch an Feiertagen und bei besonderen Anlässen tut es weh. Aber es wird mit der Zeit etwas einfacher, leichter zu ertragen … und du hast ja noch Dani – für Feiertage und so was.«
    Stephanie schluckte und nickte andächtig. »Du hast niemanden mehr, oder?«
    Mirabeau schnürte es die Kehle zu, doch sie schluckte den Kloß im Hals grimmig hinunter und versuchte, das Thema zu wechseln, indem sie fragte: »Soll ich eines von den Tattoos aufkleben?«
    Stephanie zögerte und betrachtete sie schweigend. Mirabeau wusste genau, dass das kleine Gör schon wieder in ihren Gedanken herumgrub, und fragte sich, wie sie das bloß anstellte. Sie war ja erst vor Kurzem gewandelt worden, und normalerweise konnte man die Gedanken von anderen Unsterblichen noch nicht gleich lesen. Diese Fähigkeit musste man erst trainieren, und eigentlich hätte sie noch nicht in der Lage sein dürfen, in die Köpfe anderer einzudringen. Schon gar nicht bei einem so alten Wesen wie Mirabeau.
    »Wirklich?«, fragte Stephanie und setzte sich gerade auf. Ein zufriedenes Grinsen umspielte ihre Mundwinkel. »Ich weiß, dass Dani bisher keine Gedanken lesen kann, aber ich dachte, das ist nur bei ihr so.«
    »Nein, das ist nicht nur bei ihr so«, versicherte Mirabeau und war froh über den Themenwechsel – und auch darüber, dass die Kleine nun nicht mehr ganz so traurig aussah. Sie hatte keine Ahnung, was sie getan hätte, wenn sie losgeheult hätte. Das Mädchen freute sich unübersehbar über ihre ungewöhnlichen Fähigkeiten, und Mirabeau erklärte ihr: »Du scheinst ein ganz besonderer Fall zu sein. Du hast ein natürliches Talent zum Gedankenlesen. Das ist sehr selten.«
    Stephanie grinste breit und hielt dann einen Bogen mit Klebebildern hoch. »Welches willst du?«
    Mirabeau zwinkerte irritiert. »Ich wollte eigentlich keines. Ich habe gemeint, dass ich dir eines aufkleben würde.«
    »Ich weiß schon«, erwiderte Stephanie grinsend. »Aber ich will nicht, dass dabei etwas schief geht. Wir probieren erst mal an dir aus, wie es funktioniert.«
    Mirabeau lachte ungläubig auf. »Ich bin also dein Versuchskaninchen?«
    »Ganz genau«, bestätigte sie und grinste noch breiter.
    Jetzt musste Mirabeau auch schmunzeln, schüttelte dann seufzend den Kopf und begutachtete die Tattoos, die Stephanie ihr hinhielt. »Na gut. Dann nehme ich Amor.«
    »Warum Amor?«, fragte Stephanie verwundert.
    »Weil er genauso wie ich ein Bogenschütze ist«, entgegnete sie.
    »Tatsache?«, hakte Stephanie neugierig nach, während sie nebenbei das Tattoo vorbereitete.
    »Ja. Als ich noch ein Kind war, hat meine Mutter es mir beigebracht, und dann habe ich über die Jahrhunderte weitertrainiert. Mir sind Pfeil und Bogen lieber als Feuerwaffen – man macht damit nicht so viel Lärm und sieht gleich, ob man das Ziel getroffen hat. Außerdem können unsere Körper, wenn man ihnen genug Zeit lässt, Kugeln wieder ausstoßen. Doch bei einem so langen, schweren Gegenstand wie einem Pfeil funktioniert das nicht. Wenn man einen

Weitere Kostenlose Bücher