Ein Vampir ist nicht genug - Roman
hatten.
Vayl kam zurück, beugte sich über die reglose Gestalt von Graubart und flüsterte etwas in sein Ohr.
»Sie haben nur noch ein paar Sekunden«, erklärte ich dem Anzugträger. »Gleich wird er sich neben Sie hocken und Ihnen etwas ins Ohr sagen, das Ihr Gehirn zu Brei umgestaltet. Gibt es noch irgendetwas, das Sie mir sagen wollen, bevor Ihr Gehirn sich in gefrorenen Yoghurt verwandelt?« Okay, das war eine Übertreibung. Höchstwahrscheinlich machte Vayl Graubarts Unterbewusstem nur klar, dass, sollte er jemals wieder jemanden töten wollen, selbst einen Vampir, sein Herz explodieren würde. Vielleicht spürte der Anzugträger das.
»Nein.«
»Vayl liebt es, im Verstand anderer Leute herumzugraben«, sagte ich. »Im wahrsten Sinne des Wortes. Zu Ihnen ist er vielleicht gnädig und lässt Ihnen die Erinnerung an
Ihre Frau und Ihre Kinder, an Ihre Kindheit. Wenn Sie ihm sagen, wer Sie geschickt hat.«
Der Anzugträger war bleich, verschwitzt und kaum noch bei Bewusstsein. Was der Grund gewesen sein mag, warum er redete. »Er würde uns umbringen«, flüsterte er. Seine Augen schlossen sich. Eine Träne rollte über seine Wange. Ist es zu glauben, dass ich tatsächlich Mitleid mit ihm hatte?
Ich sprach leise, um ihn nicht zu erschrecken und damit seinen Rededrang zu unterbrechen. »Wer?«
Keine Antwort. Ich schüttelte ihn, aber er verlor das Bewusstsein, und es sah ganz danach aus, als würde er die nächsten paar Stunden in diesem Zustand verbringen.
»Kümmer du dich um den Wagen, während ich mich mit ihm befasse«, sagte Vayl. »Ich höre Sirenen.«
5
I ch brachte den ramponierten Lexus dazu, noch bis zur nächsten Ausfahrt auf dem Highway durchzuhalten, und steuerte dann Richtung Süden. Die Straßen, auf denen wir uns jetzt bewegten, kannte ich nicht, hatte sie noch nicht einmal auf einer Karte gesehen. Aber ich würde trotzdem zum Hotel zurückfinden. Evie erzählte den Leuten gern, ich hätte einen GPS-Chip implantiert. Nette Idee, aber gelogen. Mein untrüglicher Orientierungssinn hatte zusammen mit meinem Gespür eingesetzt - danach. Irgendwie ergab das einen Sinn. Es schien nur richtig zu sein, dass die Art, wie ich das Leben wahrnahm, sich änderte.
»Es ist noch früh«, sagte ich zu Vayl. »Willst du wieder zu Assans Haus zurück?«
Vayl schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Wir müssen erst mehr über den Vampir herausfinden, mit dem Assan zusammenarbeitet. Und jetzt, wo wir von dem Virus wissen«, Vayl ließ sich in seinem Sitz zurückfallen, »ist klar, dass wir unseren Plan ändern müssen. Eventuell unser Netz erweitern, um diesen Partner mit aufzunehmen, vielleicht sogar die Vampire, mit denen er und Assan sich gerade getroffen haben. Außerdem müssen wir sicherstellen, dass unsere kleine Konfrontation von eben nicht zur Folge hat, dass die gesamte Mission gefährdet ist.«
»Was meinst du damit? Dass wir abbrechen sollen?«
»Vielleicht wäre eine andere, weniger strikt der Geheimhaltung unterliegende und stärker besetzte Abteilung besser geeignet, sich dieser Sache anzunehmen. Wir müssen sorgfältig nachdenken und dann die richtige Entscheidung fällen.«
Das ließ mich verstummen. Vayl schwieg ebenfalls und dachte wahrscheinlich über unsere Möglichkeiten nach. Oder er sammelte einfach neue Kraft. In der Stille wurde das Klappern unserer Stoßstange zum Hauptakteur wie der Loser-Kandidat in einer Castingshow und ließ mich immer wieder zusammenzucken. Graubart und seine Kollegen hatten dem Lexus wirklich einiges angetan. Bevor wir überhaupt wieder hatten fahren können, hatten wir die hintere Stoßstange von den Reifen wegdrücken müssen, und ich hätte nicht drauf gewettet, dass die Achse noch taufrisch war.
Die drei Überlebenden wurden wohl gerade auf ihren Transporttragen festgeschnallt, und in ungefähr zehn Minuten würde das Krankenhauspersonal versuchen herauszufinden, wie einer von ihnen es geschafft hatte, sich außerhalb einer Zirkusvorstellung eine Schwertwunde einzufangen. Sobald sie sich einigermaßen erholt hatten, würden unsere Leute auftauchen und anfangen, sie zu befragen. Sie würden dabei allerdings nicht viel herausfinden. Zumindest nicht schnell genug, um uns eine Hilfe zu sein. Aber man musste es versuchen.
»Das war ein cleverer Schachzug vorhin«, nahm Vayl das Gespräch wieder auf.
»Ach, die Sache mit der Schlange? Danke. Ja, das war hilfreich.«
»Das ist mir aufgefallen. Könntest du in Zukunft vielleicht davon Abstand nehmen?«
Ich
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