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Ein Vampir ist nicht genug - Roman

Titel: Ein Vampir ist nicht genug - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Rardin Charlotte Lungstrass
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hielten ihn mit silbernen Kruzifixen auf Abstand. Der eine trug ein graues T-Shirt, auf dem in gro ßen orangefarbenen Buchstaben JESUS RETTET UNS geschrieben stand. Der andere war in ein schwarzes Sweatshirt gekleidet, auf dem ein Paar betender Hände von einer Perlenkette umrahmt wurde, an der ein silberner Pfahl hing.
    Der dritte Mann, der nach seinem dreiteiligen Anzug zu schließen direkt von einer Beerdigung kam, zielte mit einer Armbrust auf Vayl, die mir unter anderen Umständen
ein müdes Kichern entlockt hätte. Sie sah aus, als hätte er sie in der siebten Klasse im Werkunterricht gebastelt.
    »Und versuch bloß nicht irgendwas von deinem Psychoscheiß mit uns«, warnte Jesus-rettet-Uns Vayl. »Ich sage es ihnen, wenn du das machst, und dann gehst du in Rauch auf, bevor du auch nur blinzeln kannst.«
    Als Graubart mich auf die andere Seite des Wagens zerrte, wo auch Vayl stand, blitzten zwei gleißende Lichter in meinem Gehirn auf, was wahrscheinlich bedeutete, dass sich in meinem Schädel gerade ein Aneurysma bildete. Aber solange ich meine Sinne noch beisammen hatte, überlegte ich mir, dass Jesus-rettet-Uns wahrscheinlich ein Empfindsamer war, so wie ich. Außerdem musste er schon einmal einer Pfählung beigewohnt haben, um zu wissen, dass Vampire zwar Spuren von Staub und Asche zurücklassen, wenn sie ausgelöscht werden, das meiste von ihnen sich aber in Rauch auflöst.
    Zahlenmäßig und hinsichtlich der Bewaffnung waren wir ihnen unterlegen. Das ist nie eine gute Ausgangsposition, selbst wenn du ein Profi bist. Ich gebe zu, mir hatte sich die Angst in den Nacken gesetzt, und das half mir nicht gerade dabei, klar zu denken. Dann begegnete ich Vayls Blick - und er blinzelte mir zu. Plötzlich konnte ich wieder atmen. Denn in diesem Moment wusste ich, dass so ein paar Volltrottel uns nicht kleinkriegen würden. Nicht heute Nacht. Niemals.
    Sobald meine Gedanken sich klärten, bemerkte ich zwei Dinge. Eine nicht zu ignorierende Zuneigung zu meinem Partner, dessen Überleben mir wesentlich mehr bedeutete, als dies durch rein professionelle Befriedigung zu erklären gewesen wäre. Und die Identität der Organisation, die dieses einmalige Event veranstaltete.
    »Hey, Vayl.« Ich deutete mit dem Daumen auf Graubart.
»Der hier hat’s mit der Sauberkeit, und der da drüben …«, ich nickte in Richtung Jesus-rettet-Uns, »mit der Göttlichkeit. Woran erinnert dich das?«
    »Gottes Arm.« Vayls schnelle Antwort gefiel unseren Entführern. Es ist doch immer nett, wenn deine ultra fanatische religiöse Vereinigung erkannt wird.
    »Machen wir einen Spaziergang«, schlug Graubart vor und deutete mit der 357er Magnum, die er aus der Hosentasche gezogen hatte, auf eine Baumgruppe in der Ferne. Vayls knappes Nicken ließ mich kooperieren, zumindest vorerst. Also machte ich mich auf den Weg, wobei meine Sandalen mich so wenig vor den Steinen und dem Gestrüpp schützten, dass ich überlegte, sie abzustreifen. Nur die Möglichkeit, dass ich auf Glasscherben oder Metallstücke treten könnte, hielt mich davon ab. Inzwischen war es auch kälter geworden, und mein Partykleid bot kaum Schutz vor dem eisigen Wind. Der Vollmond beleuchtete meine Gänsehaut und den Pseudopfad, der sich vor mir erstreckte. Ich aktivierte trotzdem meine Nachtsichtkontaktlinsen, als Vorbereitung für die Wanderung durch die dichteren Büsche, die vor uns lagen.
    Niemand sprach während des Marsches, der uns nur ungefähr zweihundert Meter vom Highway wegbrachte, aber endlos zu sein schien. Irgendetwas an diesem Marsch kam mir gespenstisch bekannt vor. Es war so, als hätte all das Wissen, das ich über Kriminelle und ihre Opfer angehäuft hatte, die Geister derjenigen herbeigerufen, die vor ihren Mördern hergegangen waren - manche kaltblütig, andere stolpernd - und glühende Fußspuren hinterlassen hatten, denen ich nun folgte. Doch sie waren wütend, dass ich zugestimmt hatte, diesem Pfad zu folgen. »Kämpfe!«, flüsterten sie, und ihre wilden, sie heimsuchenden Erinnerungen
verliehen ihren Stimmen Schärfe. »Kämpfe jetzt. Kämpfe hart. Stirb, wenn es nötig ist, aber stirb im Kampf!«
    Ich hatte nie vor, anders zu sterben. Und ich glaube … ja, jetzt.
    Ich holte tief Luft und schrie: »Oh Gott! Etwas hat mich gebissen!« Ich packte meinen rechten Knöchel und hüpfte auf und ab, soweit Graubarts Griff es zuließ.
    »Was soll das heißen?«, fragte er und musterte erst mein schmerzverzerrtes Gesicht, dann meinen Knöchel, dann wieder

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