Ein Vampir ist nicht genug - Roman
gesponnenem Glas.
»Er gefällt dir also?« Vayl streifte ihn mir über den Finger. Obwohl er die rechte Hand gewählt hatte, war es immer noch ein unheimliches Gefühl, als hätten wir gerade eine Art Nicht-Heirat beschlossen.
»Er ist unglaublich«, sagte ich und streckte den Arm aus, um ihn besser betrachten zu können. Dann kam mir ein Gedanke, und ich ließ die Hand in den Schoß fallen. »Ich kann ihn nicht behalten.«
»Wie bitte?«
»Das ist zu viel, Vayl. Zu kostbar. Zu schön. Zu persönlich. Außerdem würde Pete mich umbringen. Weißt du nicht mehr, was er zum Thema Geschenke-Annehmen gesagt hat?«
»Von Klienten, aber doch nicht untereinander. Jasmine.« Frustration trübte seine Stimme und ließ ihn die Augenbrauen zusammenziehen. »Warum musst du immer alles so kompliziert machen?«
Mein erster Instinkt war, ihm zu widersprechen, aber ich hatte keine Argumente. Vayl hatte diese wunderbare
Geste vollzogen. Musste ich ihm wirklich ins Gesicht spucken? »Es ist ja nur, dass ich nicht verstehe, warum du mir so etwas schenken solltest, wenn ich doch - wie du so richtig festgestellt hast - in letzter Zeit so eine Nervensäge war.«
»Weil es mehr ist als ein Geschenk. Du trägst den Ring, den der Vater meines Vaters angefertigt hat an dem Tag, als ich geboren wurde. Sein Name ist Cirilai, was so viel bedeutet wie ›Wächter‹. Als meine Mutter nach meiner problematischen Geburt im Sterben lag, hatte sie eine Vision von meinem Tod. Sie wusste, dass ich gewaltsam umkommen würde. Sie wusste, dass dabei meine Seele in Gefahr sein würde. Cirilai enthält all die uralten Kräfte, die meine Familie aufbringen konnte, um mich zu beschützen. Solange er existiert, kann ich zwar mein Leben verlieren, aber nicht meine Seele.«
Heilige Scheiße, ich hatte Geschichten von solchen Artefakten gehört! Aber so ein Ding tatsächlich an meinem Finger zu haben? Um ehrlich sein, bei dem Gedanken wurde mir leicht übel. »Warum in aller Welt schenkst du ausgerechnet mir etwas so Kostbares?«
Wenn ich ihn länger gekannt hätte, hätte ich die Antwort vielleicht in seinen Bernsteinaugen lesen können. Er versuchte bestimmt eine Minute lang, mir auf diese Weise die Dinge zu sagen, die er mit Worten nicht ausdrücken konnte. Aber zwischen uns stand noch zu viel Unbekanntes, als dass eine solche Übertragung möglich gewesen wäre. Zumindest sagte ich mir das. Vielleicht hatte ich auch nur zu viel Angst, um dieses Verständnis zuzulassen. Schließlich sagte er: »Ich habe dir Cirilai gegeben, weil der Ring auch dich beschützen wird. Und weil ich in dir dieselbe Kraft gespürt habe, die auch in dem Ring liegt. Ihr zwei gehört zusammen - zu mir.«
Auch auf das Risiko hin, wie eine Zweijährige zu klingen, wiederholte ich mich: »Aber warum?«
Gott sei Dank ist Vayls Geduld, im Gegensatz zu meiner, nicht mit einer kurzen Zündschnur verbunden. Er verschränkte die Hände im Schoß. »Du und Cirilai, ihr erinnert mich daran, dass ich, selbst wenn ich kein Mensch mehr bin, auch nicht besser bin als ein Mensch.«
»Das ist alles? Wir erhalten dir deine Bescheidenheit?«
»Bedenke, was passiert, wenn Träger solcher Fähigkeiten wie der meinen beschließen, dass ihre Ideen, Pläne oder Rassen allen anderen überlegen sind.«
»Napoleon«, flüsterte ich. »Hitler. Hussein.«
Vayl nickte ernst. »Indem du meine Seele bewachst, beschützt du die Welt. Deswegen brauche ich dich als meine Assistentin.«
Bumm! Endlich eine Erklärung für unsere Partnerschaft, die irgendwie Sinn ergab. Und eine, die Vayl in meinem Ansehen so weit steigen ließ, dass ich mich - auch wenn das nie notwendig sein würde - mit Freuden zwischen ihn und eine Kugel stellen würde. Was mir wiederum einen Einblick in Alberts Wesen verschaffte, den ich lieber nicht haben wollte. Aber du kannst deinen Vater nicht länger für ein reines Werkzeug halten, wenn andere ihn so sehr schätzen.
»Ich würde dich gerne etwas fragen«, bat Vayl.
»Was denn?«
»Warum hast du schon wieder die Möbel umgestellt?«
»Na ja, ich wollte trainieren, und … schon wieder?«
»Erinnerst du dich noch an Äthiopien? Und Deutschland? Und Hongkong?«
»Sicher, und?«
»Seit ich dich kenne, hast du in jeder Wohnung, jedem Hotel und jeder Hütte, in der wir gewohnt haben, die
Möbel umgestellt. Und immer nach demselben Muster. Ich frage mich nur, warum du das tust.«
»Oh.« Ich lachte schwach und suchte krampfhaft nach einer plausiblen Ausrede. »Na ja, das ist
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