Ein Vampir ist nicht genug - Roman
Blocks weit gerannt waren, immer den Partygästen und Spaziergängern ausweichend, überraschte sie mich, indem sie plötzlich stehen blieb. Sie stand direkt vor einem Lampengeschäft, und das Licht, das aus dem Schaufenster drang, ließ ihre Haare schimmern. Sie strahlte das Selbstbewusstsein einer umschwärmten Schauspielerin aus. Irgendwo zwischen der Gasse und hier hatte sie sich zusammengerissen, und diese Erkenntnis ließ mich abrupt innehalten.
Als sie lächelte, mochte ich sie auf Anhieb. Ihr Charme konnte Eisberge zum Schmelzen bringen. Sie hätte sogar die Ursache der globalen Erwärmung sein können. Ich erwiderte ihr Lächeln; wie hätte ich widerstehen können? Obwohl der plötzliche Anstieg ihrer Kraft mir verriet, dass ihr Charisma batteriebetrieben war, senkte ich Kummer und musste gegen den Drang ankämpfen, sie fallen zu lassen.
»Der Mann vorhin, der mit dem Blut auf dem Hemd, wer ist das?«, fragte ich sie und wünschte mir gleichzeitig, ich würde mich so stilvoll kleiden wie diese Schönheit mit ihren kniehohen Stiefeln, dem kurzen Jeansrock und der roten Seidenbluse.
»Er ist ein Freund von mir«, erwiderte sie. »Sein Name ist Derek Steele.«
Ich nickte. »Weißt du, er ist sehr krank. Wahrscheinlich wird er sterben.«
Ihr Lächeln wurde unsicher und schien mit dem Rest ihres Körpers in sich zusammenzufallen. »Schlechtes Blut«, flüsterte sie. »Aidyn, du Hurensohn, was hast du mir angetan?«
Jetzt wusste ich, wo ich sie schon einmal gesehen hatte. Sie war der kleinere Teil des Pärchens, das letzte Nacht aus dem Hubschrauber gesprungen war. Aidyn hatte sie Svetlana genannt. Ich hätte sie und Höhlenmensch gleich erkennen müssen. Sicher hätte ich diese Nachlässigkeit auf den schwächenden Effekt zurückführen können, den Derek Steele auf mich hatte, aber Entschuldigungen sind was für Weicheier. Das hätte mir wirklich auffallen müssen. Mit diesem Lapsus, dem zerstörten Lexus und dem impulsiven Kuss hätte ich mich auch gleich selbst beerdigen können. Und ich hatte noch nicht einmal einen freien Nachmittag, um in Selbstmitleid zu versinken. Aber wenigstens hatte ich meine neue Freundin.
»Ich dachte, alle Vampire könnten schlechtes Blut riechen«, sagte ich.
»Ich nicht. Und Boris auch nicht«, erklärte sie verbittert.
»Aidyn hat euch also reingelegt, was? Ihr seid wohl Teil seines ›letzten Experiments‹. Aber ihr werdet ja nur krank davon, nicht wahr? Ich meine, letzten Endes werdet ihr euch erholen.« Ich wollte wirklich, dass sie sich besser fühlte. »Denk doch mal logisch. Ihr müsst Aidyn wirklich etwas bedeuten. Er würde euch doch nicht hierherbringen, nur um euch zu töten.«
»Nein, deswegen sind wir nicht hier.« Ihre Stimme senkte sich zu einem Flüstern, als sie sich alles überlegte. »Der Raptor hat uns hierhergebracht, um eine Allianz
zwischen seinem Kartell und unserem vorzuschlagen. Er ist zu einer so starken Macht geworden, dass wir keine andere Wahl hatten, als zu kommen. Und ihm zuzuhören.« Mit einem flehenden Blick bettelte sie um mein Verständnis, und natürlich verstand ich. Wer würde das nicht tun? »Aber wir konnten seine Bedingungen nicht akzeptieren«, fuhr sie fort.
»Bedingungen?«, hakte ich nach, auch wenn ich mich am liebsten dafür entschuldigt hätte, ihren Gedankengang zu unterbrechen. Doch ich musste es wissen. »Allianz? Das verstehe ich nicht. Was habt ihr zu bieten, das ihn interessieren könnte?«
Sie zuckte mit den Schultern und sagte schlicht: »Moskau.«
Oh.
Sie nahm den Faden wieder auf: »Es war idiotisch von uns, zu glauben, dass er uns ohne Weiteres wieder gehen lassen würde. Es muss an Edward genagt haben, dass Boris und ich seinen Vorschlag abgelehnt haben. Aber er hat sich nichts anmerken lassen. Kein bisschen.«
»Der Name des Raptors ist Edward?«
Sie nickte. »Edward Samos.« Bingo!
»Und er ist in Miami?«
»Nein. Wir haben uns in seinem Flugzeug mit ihm getroffen. Er ist abgeflogen, sobald unsere Verhandlungen beendet waren.«
»Weißt du, wo er seinen Hauptsitz hat?«
»Nein.«
»Tja, Edward scheint ein echter Scheißkerl zu sein«, stellte ich fest.
Wieder nickte sie. »Ich brauche eine avhar «, flüsterte sie dann.
Schon wieder dieses Wort. Ich hatte eine ungefähre Vorstellung
davon, was es bedeutete, aber vielleicht konnte sie mich ein wenig weiter aufklären. »Was würde eine avhar denn für dich tun?«, fragte ich.
Ihr Lächeln kehrte zurück und legte noch um einige Watt zu, wobei
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