Ein Vampir ist nicht genug - Roman
wirbelte ich herum, um die Quelle der Kraft auszumachen, die ihn ausgelöst hatte.
Die Balkontüren flogen so heftig auf, dass ich das Vibrieren der Scheiben sehen konnte, als sie gegen die Wand prallten. Und herein spazierte Vayls frühere Frau.
»Du weißt wirklich, wie man einen guten Auftritt hinlegt«, sagte ich. Es klang ruhig, amüsiert. Das war reine Scharade, doch an Lilianas gerunzelter Stirn erkannte ich, dass sie es mir abkaufte. Gut. Das verschaffte mir vielleicht ein paar Schritte mehr, wenn ich mich umdrehte und die Beine in die Hand nahm. Okay, falls ich mich umdrehte und die Beine in die Hand nahm. Noch hatte ich mich nicht endgültig dafür entschieden.
»Das ist einer meiner Vorzüge.«
»Wie hast du mich gefunden?«
»Deine Spur leuchtet heller als Neonlicht«, sagte sie und lächelte, als sie sah, wie ihre Bemerkung mich traf.
Scheiße! Ich war wie der Berufsspieler, den die Amateure beim Pokern mit Begeisterung schlugen. Ich hatte
einen Schatten angezogen, den ich noch nicht einmal bemerkt hatte. Brauche ich vielleicht Urlaub?
Ich glaube, Liliana hätte mich gerne eine Memme genannt, doch ihr fiel wohl gerade das Wort nicht ein. Also kam sie gleich zur Sache.
»Du hast etwas, das mir gehört.« Plötzlich sprach sie mit einem Akzent. Sie muss wirklich stinksauer sein. Ich sah hastig auf die Uhr. Vayl war vielleicht schon auf dem Weg, doch er würde niemals rechtzeitig hier sein, um mir zu helfen, geschweige denn, um mich zu retten. Und der Gedanke, wie er mich vom Teppich kratzte, gefiel mir nicht sonderlich. Was soll ich tun? Was soll ich tun? Meine Nerven stolperten herum wie die Opfer eines Erd bebens, kollidierten miteinander und schrien hysterisch, wobei sie jede Menge Schaden anrichteten und mir kein bisschen halfen.
»Alles, was ich habe, gehört mir auch«, erklärte ich ihr. Falsche Antwort. Ihre Augen, auch das Weiß, nahmen das helle Rot von frischem Blut an. Ihre Hände zuckten, und ich erkannte, dass diese perfekten künstlichen Fingernägel auch als Tarnung für einziehbare Krallen dienten. Diese wuchsen nun vor meinen Augen auf die Länge von Brieföffnern, und ich wusste, dass sie damit genauso leicht durch meine Haut fahren konnte wie durch Papier.
»In diesem Punkt bin ich voll und ganz anderer Meinung.« Sie bewegte sich schräg nach vorn, in der Absicht, mir den Weg zum Ausgang abzuschneiden. Offenbar konnte sie sich nicht vorstellen, dass ich vom Balkon springen würde. Was mir auch ein schlechter Plan zu sein schien. Das Adrenalin hatte mich bereits verlassen. Ich bin so müde. Fast zu müde, um noch Angst zu haben. Fast, fast, fast …
»Ich habe keine Ahnung, was du meinst«, erwiderte ich.
Als sie sich bewegte, tat ich es ihr gleich, um auf Abstand zu bleiben, wobei ich mich langsam der Schlafzimmertür näherte.
»Cirilai.« Sie zeigte auf den Ring an meiner Hand, und ihre Krallen zitterten, so wütend war sie. »Er gehört mir.«
»Vayl sagte, seine Familie hätte ihn für ihn gemacht.«
» Ich bin seine Familie!«, fauchte sie. »Es ist mein Recht, Vayls Ring zu tragen!« Sie machte einen Schritt auf mich zu, und ich zog Kummer. Sie war immer noch im normalen Waffenmodus, aber sie hielt Liliana auf. Vorerst. Also provozierte ich sie natürlich weiter.
»Aber du bist nicht mehr seine Frau, Liliana. Du bist nicht einmal seine avhar . Der Ring gehört mir, und ich werde ihn behalten.«
Sie kreischte. Wie eine Banshee. Auf Speed. Die in einer Schraubzwinge feststeckt.
Ich schoss auf sie, als sie angriff. Dreimal - bumm, bumm, bumm -, in einem schönen Muster in ihre Brust. Leuchtend rotes Blut spritzte hinter ihr an die Wand, als sie rückwärts umfiel. Im Sturz schlug sie gegen den Esstisch. Er geriet ins Wanken und fiel unter der Wucht des Aufpralls seitlich um. Ich nutzte die dadurch gewonnene Zeit, drehte mich um und rannte los.
Hättest sie mit einem Bolzen festnageln sollen , schalt ich mich. Hättest den magischen Knopf drücken sollen, Jaz. Hätte ich, hatte ich aber nicht, und jetzt hatte ich keine Zeit, mir Gedanken darüber zu machen, warum nicht.
Meine nackten Füße berührten kaum den Teppich, als ich auf die Schlafzimmertür zu sprintete. Lilianas Knurren und ihre Schreie trieben mich voran. Ich schaffte es durch die Tür, warf sie zu und verriegelte sie, bevor sie mich einholen konnte. Es war knapper, als ich gedacht hatte. Kaum war der Riegel ins Schloss gefallen, knallte sie
so heftig gegen die Tür, dass diese bis in die Scharniere
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