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Ein Vampir ist nicht genug - Roman

Titel: Ein Vampir ist nicht genug - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Rardin Charlotte Lungstrass
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gestohlen hatten, erschoss sie, bevor sie eine Chance hatten, es zu erklären.«
    »Oh, Vayl.« Ich umarmte ihn fest, und das nicht nur, weil mein Herz für ihn blutete. Das unangenehme Gefühl hatte sich verstärkt. Das kleine Mädchen in mir brauchte dringend einen Teddybären. »Das ist grauenvoll«, murmelte ich.
    Vayls Kehle entstieg ein Geräusch, ein ursprünglicher Schmerzenslaut, wie ihn etwa Elefanten ausstoßen, die die Knochen ihrer verlorenen Brüder beweinen. »Ich wollte den Mann töten, da ich mich nicht selbst töten konnte. Ich gab ihm die gesamte Schuld. Ich lud meine gesamte Schwäche und meinen Selbsthass auf ihm ab, bis es nicht mehr ausreichte, ihn einfach zu erschießen. Ich wollte, dass er langsam starb, tage- und wochenlang, wenn möglich. Ich wollte, dass er in Entsetzen versank wie in Treibsand.«
    »Was …« Ich schluckte schwer, benommen von dem namenlosen, unheilverkündenden Gefühl und schockiert von Vayls Geschichte. »Was hast du getan?«
    »Ich wurde sein Entsetzen.« Seine Stimme senkte sich zu einem Flüstern. »Es war so einfach«, erklärte er stirnrunzelnd. »Meine Familie, mein Vater, meine Großeltern - du hast inzwischen erkannt, dass sie über gewisse … Kräfte verfügten?« Ich nickte und spürte dabei Cirilai warm an
meinem Finger, wie ein Lebewesen. »Obwohl ich mich nie dazu berufen gefühlt hatte, an ihren Ritualen teilzunehmen, hatte ich mein ganzes Leben lang beobachtet, wie sie damit arbeiteten, Flüche aufhoben, Seelen retteten. Nun tat ich einfach das Gegenteil.«
    »Wie?«
    »Ich nahm drei Holzkreuze, entweiht durch das Blut ermordeter Männer, meiner Söhne, um genau zu sein. Ich stellte sie in einem Dreieck auf und trat in ihre Mitte. Dann rief ich die unheiligen Geister an und bat sie, mir einen Vampir zu schicken.«
    »Und?«
    »Sie haben mein Flehen erhört. Doch sie haben dafür gesorgt, dass er zuerst meiner Frau begegnete.«
    »Es tut mir so leid.«
    »Das liegt lange zurück, ein ganzes Leben. Es braucht dir nicht leidzutun.«
    »Na ja, tut es aber. Doch das habe ich nicht gemeint.«
    »Was denn dann?«
    »Es tut mir leid, dass ich dich bei einer Geschichte unterbrechen muss, die zu erzählen dir so schwerfällt. Aber wir müssen gehen. Sofort .« Ich packte seine Hand und zog ihn aus den Schatten auf den Bürgersteig, der von Straßenlaternen und einer weiteren Quelle erleuchtet wurde, die meine neue Sicht zwar zu schätzen wusste, aber nicht einordnen konnte. Dann führte ich ihn zur nächsten Ecke, wo wir an einer roten Ampel anhalten mussten, während hinter uns die Musik einer Heavy-Metal-Band durch die Wände einer Bar drang.
    »Was ist los?«, fragte Vayl, während wir darauf warteten, dass sich der Verkehr lichtete.
    »Schwer zu beschreiben.« Ich drückte seine Hand, versuchte, ruhig zu bleiben und die neuen Schattierungen im
Neon und die brüllende Musik auf der Straße von den kaum zu kontrollierenden Angstschüben zu trennen, die mich fast wahnsinnig machten. »Dieses Lied«, sagte ich schließlich, »von Lynyrd Skynyrd. Erinnerst du dich noch an den Text? Da geht es um diesen Geruch.«
    »Ja«, sagte Vayl leise und ließ seinen Blick über die Straße wandern. Er registrierte jede Person, jedes Stra ßenschild und jede Parkbank.
    »So ist es. Ich habe diesen Geruch in der Nase, den langsamen Abstieg in Verzweiflung und Hilflosigkeit. Und das Ganze wird überlagert von Vampiren. Hinter dem Club Untot passiert irgendetwas Schlimmes.« Und ich fürchte mich davor, nachzusehen.
    Aber als die Ampel umschaltete, setzten wir uns in Bewegung. Auf halbem Weg zu einer Gasse, die wie ein eiterndes Geschwür hinter all den festlichen Lichtern und Dekorationen saß, begann ich zu husten. Je näher wir ihr kamen, desto mehr verwandelte sich das Husten in ein Würgen. Als wir den ersten Müllcontainer erreichten, fühlte ich mich, als hätte man mich an einem heißen Tag mit einem verrottenden Kadaver in einem Auto eingesperrt. Ich erbrach mich neben drei verbeulten silberfarbenen Mülltonnen und wünschte mir, Umbertos hätte seine Pforten geschlossen, bevor ich die Chance hatte, einen Teller Spaghetti zu essen.
    Ich presste die Lider aufeinander, mehr als Reaktion auf den Brechreiz als aus der Notwendigkeit heraus, im Dunkeln sehen zu können, und als ich sie wieder öffnete, glühte die Gasse nicht nur grünlich, sondern auch in gedämpften Gelbtönen und blutigem Rot. Gott, was geschieht mit mir?
    Ich richtete mich auf, und Vayl stützte mich,

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