Ein verführerischer Akt
Sie umfasste mit beiden Händen sein Gesicht. »Nur du bist mir nicht gleichgültig. Ich möchte mithelfen, dass die schrecklichen Dinge, die in deiner Vergangenheit passiert sind, geklärt werden.«
Julian starrte sie an. Er konnte es nicht fassen: Sie wollte sich und ihren Ruf opfern für ihn. Er schenkte ihr ein zärtliches Lächeln. »Nein, Rebecca, das kann ich nicht zulassen.«
»Aber …«
»Hör mir zu.« Er strich ihr über den Rücken, während er sie an sich drückte. »Denk daran, dass der Chief Inspector ein Freund von mir ist. Ich bin sicher, er kann dafür sorgen, dass im offiziellen Bericht das Gemälde nicht erwähnt wird. Was ohnehin nicht notwendig ist, weil wir auch ohne das Bild eine Verbindung zwischen dem Stein und meinem Onkel nachweisen können und ebenfalls von ihm zu Eastfield. Versprich mir, dass du das Gemälde mit keinem Wort erwähnst.«
Als sie zögerte, schüttelte er sie leicht.
»Rebecca, du hast mir schon so viel geholfen. Lass mich in dieser Sache für deinen Schutz sorgen und für den deiner Familie.«
Schließlich nickte sie. »Wenn du sicher bist, dass es dir nicht schadet …«
»Ich bin mir sicher.«
Es klopfte an der Tür.
»Ich komme gleich«, rief Julian. Er küsste sie, und obwohl nur als schneller Kuss gedacht zog er sich in die Länge, bis er sich losriss. »Ich muss gehen. Der Arzt kommt gleich und dann Bulmer. Versprich mir, dass wir später weiterreden. Es gibt noch so viel zu sagen.«
Sie schaute ihn fragend an und nickte. »Dann bis heute Abend, Julian. Ich warte auf dich.«
Nachdem Rebecca gebadet und von Florence geborgte Nachtkleidung angezogen hatte, fühlte sie sich endlich wieder sauber und wie neugeboren. Ein Mädchen hatte ihr ein Tablett mit einem späten Abendessen aufs Zimmer gebracht, das allerdings noch unberührt dastand, weil sie nicht alleine essen mochte.
Als es leise an ihrer Tür klopfte, öffnete sie, und Julian schlüpfte herein. Auch er hatte sich frisch gemacht und rasiert, trug saubere Kleidung – Hose und ein Hemd, das für seine breiten Schultern etwas eng war – und lächelte sie an. Mit einem Mal dachte sie, dass er gar nicht mehr wie der Reisebegleiter aussah, mit dem sie die letzten Tage und Nächte verbracht hatte. Er war von Kopf bis Fuß wieder der Earl of Parkhurst. Fast vermisste sie sein verwegenes, gefährliches Aussehen ein wenig.
Doch Altvertrautes kehrte zurück, als er den Blick begehrlich über ihren Körper gleiten ließ. Sie breitete die Arme aus und drehte sich vor ihm.
»Bin ich salonfähig?«, fragte sie.
»Nein, aber es gefällt mir.« Er seufzte laut. »Du weißt, was ich mit dir in dem Bett da machen möchte – nur gibt es ein paar Dinge, über die wir zuerst reden müssen.«
Sie nickte, nahm seine Hand und führte ihn zu dem kleinen Tisch, auf den sie das Tablett gestellt hatte. Sie setzten sich hin, und als sie die Deckel von den Platten nahmen, kamen darunter mehrere Sorten kaltes Fleisch, Brot, ein Pudding und frisches Obst zum Vorschein.
Julian schüttelte den Kopf. Er mochte nichts essen, sondern lehnte sich bloß erschöpft zurück und betrachtete sie.
»Wie geht es deinem Onkel?«, fragte sie.
Er zuckte die Achseln. »Der Arzt glaubt zwar nicht, dass er jemals wieder ganz gesund wird, aber es sieht auch nicht so aus, als würde er an den Folgen des Schlages sterben.«
»Was heißt das?«
»Vermutlich hat sein Gehirn einen bleibenden Schaden davongetragen, vielleicht sogar eine bleibende Lähmung. Jedenfalls ist er künftig ein Pflegefall: geistig beeinträchtigt und in seinen Bewegungen eingeschränkt. Der Arzt weiß nicht einmal, ob er noch einmal richtig zu Bewusstsein kommt, und er kann sich überdies nicht erklären, wie meine Tante ihm solch eine schwere Verletzung hat zufügen können.«
Rebecca seufzte. »In gewisser Weise ist er jetzt in seinem eigenen Körper gefangen.«
Ein leichtes Lächeln spielte um seine Lippen. »Da hast du wohl recht.«
»Was ist mit deiner Tante?«
»Sie scheint sich an so gut wie nichts zu erinnern. Soweit ich das beurteilen kann, wird sie abgesondert und unter ständiger Aufsicht leben müssen, damit sie keinen weiteren Schaden anrichtet.« Er zog den Kragen seines Hemdes auseinander und holte den Diamanten hervor. »Ich werde eine gute Kopie von dem Stein anfertigen lassen, die sie tragen kann, um ihren Seelenfrieden zu finden. Es ist eine Schande, dass mein Onkel nie auf diese Idee gekommen ist.«
Er sah so nachdenklich und traurig aus, dass
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