Ein verführerischer Akt
atmete noch. Er griff nach einem seidenen Tischläufer und wickelte ihn um den Kopf des Bewusstlosen, um die Blutung zu stoppen.
Plötzlich sprang die Tür auf, und mehrere Leute stürmten herein. Vorsichtshalber griff Julian nach seiner Pistole, entspannte sich allerdings, als er erkannte, dass es sich zum großen Teil um Frauen in Dienstbotenkleidung handelte.
Ein Mann trat vor. »Wir haben einen Schuss gehört. Wer sind Sie, Sir? Ist auf Mr Windebank geschossen worden?«
»Ich habe ihm eine Vase auf den Kopf geschlagen«, erklärte Lady Florence monoton.
Fragend schaute der Mann Julian an.
»Ich bin Dudley, der Butler. Und Sie sind …« Er stockte, als Julian sich erhob. »Lord Parkhurst! Verzeihen Sie mir, dass ich Sie nicht sofort erkannt habe.«
»Lassen Sie einen Arzt holen, Dudley.«
Der Butler wandte sich an einen der Lakaien, die neugierig in der Nähe der Tür standen.
»Postieren Sie mehrere Männer vor der Tür des Salons nebenan«, ordnete Julian an. »Ich habe dort einen Mann eingesperrt, der von der Polizei verhört werden muss. Beauftragen Sie einen Stallburschen, Chief Inspector Bulmer aus Lincoln hierher zu holen.«
»Wir haben einen eigenen Dorfgendarmen, Mylord.«
»Die Sache übersteigt seine Kompetenzen. Sagen Sie allen, dass sie draußen vorsichtig sein sollen. Es waren Männer im Park, die auf mich geschossen haben, mittlerweile aber geflohen sein dürften, sofern sie noch konnten. Jedenfalls liegen draußen zwei Leichen, die nicht vor Mr Bulmers Ankunft bewegt werden dürfen.«
Dudleys Augen weiteten sich fast unmerklich, doch er sagte nichts, sondern nickte nur.
»Gibt es jemanden, der sich um Lady Florence kümmern kann?«, fragte Julian.
Eine der Frauen trat vor. »Ich bin die Betreuerin, Mylord.«
»Bringen Sie sie bitte in einen Raum, wo sie unter Aufsicht ist und keinem etwas tun kann.«
»Natürlich, Mylord«, erwiderte sie. Fassungslos sah sie zu ihrem Arbeitgeber hin, der leblos am Boden lag. »Mr Windebank hatte heute allen strengstens befohlen, unseren Wohntrakt nicht zu verlassen, weil er angeblich geheime Geschäfte abwickeln musste. Normalerweise hätte ich sie nicht aus den Augen gelassen, aber er bestand darauf, dass …«
»Sie tragen keine Schuld an dem, was vorgefallen ist«, erklärte Julian mit fester Stimme. »Kümmern Sie sich gut um Mylady.«
Sie biss sich auf die Unterlippe und nickte. »Mylord, Mr Windebanks Wunde sollte fest verbunden bleiben, bis der Arzt kommt.«
»Danke.«
Dann ging sie zu Florence und redete leise mit ihr, bevor sie sie aus der Bibliothek führte.
Rebecca trat zu ihm, und er legte einen Arm um sie.
»Du blutest«, sagte sie und starrte seinen Arm an.
»Nicht weiter schlimm, doch wenn es dich beruhigt, zeige ich sie später dem Arzt.«
»Danke. Kann ich unter vier Augen mit dir sprechen?«, fragte sie leise.
Er nickte. »Dudley, bleiben Sie bitte hier, bis der Arzt kommt. Ich bin gleich zurück. Rufen Sie, wenn Sie mich brauchen. Ich bin in der Nähe.«
Julian führte Rebecca in ein Frühstückszimmer mit großen Fenstern, die zum Park hinausgingen. Davor stand ein zierlicher Damenschreibtisch, von dem aus man im Hellen bestimmt einen schönen Blick nach draußen hatte. Doch jetzt, nach Sonnenuntergang, lag die Landschaft in bedrohliche Schatten getaucht.
Rebecca strich leicht über die leere Schreibtischplatte. »Meinst du, sie hat hier je wie eine normale Frau gesessen?«
»Ja, das hat sie. Ich habe es selbst gesehen. Rebecca …« Verlegen merkte er, dass seine Stimme brach. »Als ich bemerkte, dass du entführt worden bist, als ich an die schreckliche Gefahr dachte, in die du geraten warst, weil ich nicht auf dich aufgepasst hatte …«
»Nein, Julian, nein. Dein Onkel ist ein Schurke. Es war nicht deine Schuld.«
Sie trat zu ihm und nahm ihn in den Arm. Mehrere Minuten lang klammerten sie sich aneinander. Er war so unendlich froh und dankbar, dass ihr nichts passiert war.
»Als du dir diesen Schürhaken holen wolltest …« – »Als du dich auf ihn stürztest …«, sagten beide gleichzeitig.
Sie verstummten und sahen sich mit einem zittrigen Lächeln an.
Rebecca holte tief Luft. »Ich werde dem Chief Inspector alles erzählen, Julian … Auch wie ich an den Diamanten gekommen bin.«
Er runzelte die Stirn. »Wovon redest du?«
»Ich will helfen, den Namen deines Vaters reinzuwaschen, selbst wenn das bedeutet, dass alle Welt von dem Gemälde erfährt. Es ist mir egal – dann gerate ich eben in Verruf.«
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