Ein verfuehrerischer Handel
blieb.
»Macht die Tür zu!«, befahl er. Eiszapfen schienen in seiner Stimme zu klirren. Statt der heißen Wut, die sie als Kind bei ihrem Vater erlebt hatte, wirkte der kalte Zorn des Grafen auf sie noch viel entsetzlicher.
Sie biss sich auf die zitternde Lippe und tat wie befohlen: Mit bebenden Händen schloss sie die Tür.
»Kommt her ... Ariel!«
Sie wollte es nicht. Allmächtiger, sie wollte sich umdrehen und weglaufen. Dennoch war sie kein Feigling, war es noch nie gewesen. Sie hatte die Prügel ihres Vaters ertragen. Und irgendwie würde sie auch dies durchstehen.
Ihr Stolz stärkte ihr den Rücken. Sie stakste mit hölzernen Schritten auf ihn zu und hoffte nur, dass ihre Beine ihr nicht den Dienst versagten.
»Ein Handel wurde abgeschlossen«, wiederholte er. »Ich habe meinen Teil davon erfüllt. Jetzt seid Ihr an der Reihe. Ihr werdet Eure Kleider ausziehen. Ich möchte sehen, was ich mit meinem sauer verdienten Geld erworben habe.«
Einige Sekunden lang starrte sie ihn voller Entsetzen an. »Ich kann nicht ... ganz unmöglich ...«
»Wenn ich nicht genau in diesem Augenblick aufgetaucht wäre, dann hättet Ihr Euch auch für Marlin ausgezogen. Das werdet Ihr jetzt für mich tun!«
Ein Schauder rann über ihren Rücken, und sie unterdrückte ein Aufschluchzen, das sich ihrem Mund zu entringen drohte. Lieber Gott, das konnte doch nicht wirklich wahr sein! Von all den Szenen, die sie sich vorgestellt hatte, war keine so schrecklich wie diese hier. In ihren Augen brannte es salzig. Sie drängte die Tränen zurück, entschlossen, nicht vor diesem herzlosen Schurken zu weinen, der jetzt der Graf war.
Stattdessen hob sie das Kinn. »Ihr irrt Euch, Mylord! Ich hätte nicht zugelassen, dass Phillip ... dass Phillip sich Freiheiten herausnähme.«
Er zog eine dichte schwarze Braue hoch. »Nicht?« Sein Mund verzog sich zu einer spöttischen Grimasse. »Und die kleine Szene, die ich im Roten Salon miterleben durfte? Wollt Ihr Euch hinstellen und behaupten, dass ich mir diese Umarmung von Liebenden nur eingebildet habe?«
Ariel biss sich auf die Lippe. Es war nur ein Kuss gewesen, doch hatte es sich gleich von Anfang an nicht richtig angefühlt. »Was ... was Ihr dort gesehen habt, war ein Fehler. Keiner von uns beiden hatte das eigentlich beabsichtigt!«
Justin runzelte ärgerlich die Stirn, und sein Mund wurde schmal. Mit ein paar großen Schritten kam er auf sie zu, sein Gesicht wütend verzerrt, und unbewusst trat sie einen Schritt zurück. »Wenn Ihr glaubt, dass Phillip Marlin nicht vorgehabt hat, Euch zu verführen, dann seid Ihr noch eine größere Einfalt als ich. Und jetzt zieht Eure Kleider aus -oder ich werde das übernehmen.«
Tränen füllten ihre Augen. Sie blinzelte heftig und versuchte, sie zurückzudrängen, was ihr schließlich auch gelang. Von irgendwo tief in ihrem Inneren kam der Mut, wo die Grausamkeiten ihres Vaters nicht hingedrungen waren. Er konnte sie schlagen, doch er konnte sie niemals brechen.
Und auch der Graf würde das nicht schaffen.
Sie wandte ihm den Rücken zu, stand kerzengerade da, obwohl ihre Beine zitterten. »Ihr werdet mir bei den Knöpfen helfen müssen.«
Der Graf machte einen Schritt vor. Sie hörte das gedämpfte Geräusch seiner glänzenden, schwarzen Schuhe auf dem Teppich. Er kümmerte sich nicht um die Knöpfe, stattdessen fühlte sie seine Finger in ihrem Nacken, als er den Stoff ergriff und ihn bis zur Taille aufriss.
Nun konnte sie ein Aufschluchzen nicht mehr unterdrücken; doch als sie sich zu ihm umwandte, entdeckte sie in diesen ausdruckslosen grauen Augen einen Anflug von Mitleid.
»Und jetzt tut, was ich gesagt habe. Zieht Euch weiter aus!« Er wich ein wenig zurück, als wolle er sie aus einiger Entfernung betrachten.
Ihre Hände zitterten. Sie griff nach der feinen aprikosenfarbenen Seide und schob die Fetzen von ihren Schultern. Ein so wunderschönes Kleid, dachte sie flüchtig, jedes ihrer Kleider lag ihr am Herzen; immerhin war sie eine Frau, die noch nie zuvor so hübsche Dinge besessen hatte. Sie zermarterte sich das Hirn nach einer Erklärung, um ihm zu verstehen zu geben, was zwischen ihr und Phillip geschehen war; doch ein Blick in seine Miene sagte ihr, dass ihre Mühe umsonst sein würde.
Sie stand nur in ihren Schuhen vor ihm, in weißen Seidenstrümpfen, einem Strumpfhalter aus Satin und einem feinen Baumwollhemd, dessen Stoff so durchsichtig war, dass die schwachen rosigen Umrisse ihrer Brustspitzen darunter erschienen
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