Ein verfuehrerischer Handel
selig, dass er es ihr endlich gestehen konnte. Sie schleppten sich weiter in den Stall, wo Silvie und Perkins ihnen warme Decken umlegten.
»Wundersamerweise hat Gott sich entschieden, freundlich zu sein, Mylord«, meinte der alte Butler. »Der Regen löscht das Feuer. Der größte Teil des Hauses ist gerettet.«
»Ja. Wenn es weiter so gießt, können wir vielleicht in einigen Stunden Schutz im Ostflügel suchen. Die Zimmer werden zwar voll Rauch sein, aber wenigstens gibt es dort Betten, und wir haben es warm und trocken.«
Perkins sah sich um. »Wo ist Lady Haywood, Mylord?«
Justin schüttelte nur den Kopf.
»Erbarmen!« Der alte Mann lief davon, um den anderen die schreckliche Nachricht mitzuteilen, während Silvie Streifen aus zerrissenem Stoff brachte zum Verbinden. Sie setzten sich auf einen Haufen Stroh, und Ariel wusch Justins Wunde mit Wasser aus, das jemand vom Fluss geholt hatte. Sie versorgte sein verletztes Bein und wickelte die Stoffstreifen um seine Rippen.
Endlich waren sie allein in dem leeren Stall, ihre Kleidung hing nass und zerrissen an ihnen herab, schwarz von Schmutz und Ruß. Erschöpft lehnten sie sich gegen die Mauer.
Justin griff nach Ariels Hand und zog sie an die Lippen. Er sah die Spuren des Überlebenskampfes auf dem Gesicht seiner Frau und sein Herz machte einen Satz. »Ich war entsetzt, als ich dich am Fuß der Treppe fand. Wenn dir etwas zugestoßen wäre ...«
»Justin ...«
Er streichelte über ihre Wange, fuhr sanft mit dem Finger die Konturen ihrer Lippen nach. »Einen Menschen zu lieben, war mir vollkommen fremd. Ich dachte, ich wüsste gar nicht, wie das geht. An dem Tag, an dem wir zu meiner Großmutter gefahren sind ... da wusste ich es plötzlich, begriff auf einmal, dass ich dich liebte, und zwar schon von Beginn an!«
Frische Tränen traten in ihre Augen. »Ich liebe dich so sehr.«
Justin zog sie an sich, Glück und Dankbarkeit erfüllten ihn. Sie liebte ihn, so wie er es sich zutiefst erhofft hatte. Sie klammerten sich aneinander, im Stroh auf dem Boden im Stall und lauschten dem strömenden Regen, sahen zu, wie die orangeroten Flammen zuckten und langsam erstarben -wie sie zu schwachen Rauchsäulen wurden, die sich über dem Schutt des Westflügels kräuselten.
»Wir werden alles wieder aufbauen«, versprach er ihr. »Und machen es zu unserem Zuhause, zu dem Ort, wo wir unsere Kinder großziehen.«
Ariel schenkte ihm ein warmes, sanftes Lächeln, das er seit etlicher Zeit vermisst hatte. »Das würde mir gefallen.«
Er senkte den Kopf und küsste sie noch einmal. »Ich liebe dich, Lady Greville.« Die Worte fielen ihm diesmal unerhört leicht, sie kamen ihm so richtig vor, so wahr. »Ich liebe dich!«
Die Tage seiner Isolation waren vorüber. Jetzt endlich hatte er eine Familie: die Großmutter, die ihn aufgezogen und ihn niemals vergessen hatte, ein Kind, das ihn brauchte, und eine Frau, die ihn liebte. Das Herz in seiner Brust schwoll - dieses wundersame Ding, von dem er gar nicht gewusst hatte, dass er es überhaupt besaß.
Nass, schmutzig und kalt, rauchende Ruinen im Blick, begriff Justin zum ersten Mal in seinem Leben, was es bedeutete, sich als ganzer Mensch zu fühlen.
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