Ein verfuehrerischer Handel
Greville, war so freundlich, vor zwei Jahren das Zeitliche zu segnen und mir seinen Titel zu hinterlassen.«
Ariel nagte nervös an der Unterlippe. »Der Graf ... der Graf ist tot?« Es fiel ihr schwer, zu begreifen, was sie da hörte. Alles um sie herum schien sich zu drehen, geriet außer Reichweite.
»Der frühere Graf ist tot. Ich bin Justin Ross, der fünfte und augenblickliche Lord Greville, der Mann, der für Eure Ausstattung bezahlt hat, für Eure Unterkunft, Verpflegung und Erziehung. Wie Ihr Euch sicher ausrechnen könnt, beläuft sich das alles auf eine recht ansehnliche Summe.«
»Ja, ich ... Selbstverständlich tut es das. Genau darüber wollte ich mit dem Grafen sprechen - ich meine natürlich, mit Euch.« Himmel, der Graf war tot ... Sie hatte ihn nicht wirklich gekannt, hatte ihn seit vier Jahren nicht mehr gesehen; aber für sie war immer er ihr Gönner gewesen.
»Ihr habt bereits vor einiger Zeit mit dem Grafen über diese Dinge gesprochen. Laut seiner Erklärung seid Ihr beide vor vier Jahren zu einer Vereinbarung gekommen.«
Sie schluckte und nahm all ihren Mut zusammen. »Ich denke, das war damals der Fall, ja.«
»Meinem Verständnis nach habt Ihr seinerzeit zugestimmt, im Gegenzug für Eure Erziehung und die damit verbundenen Kosten bei Erreichen Eurer Volljährigkeit die Geliebte des Grafen zu werden.«
Deutlich ausgesprochen, doch leider die Wahrheit. »Ja, aber ich ... ich war damals noch jünger und mir nicht genau im Klaren ...«
»Jetzt seid Ihr älter, bald neunzehn, wenn ich mich recht erinnere, und kein unschuldiges Mädchen mehr - wie ich es soeben gemäß Eurem Benehmen mit Mr. Marlin feststellen konnte.« Ariel wurde blass. »Ihr habt eine ausgedehnte, äußerst kostspielige Erziehung bekommen. Vermutlich habt Ihr in der Zwischenzeit allmählich den Handel begriffen, der vor vier Jahren abgeschlossen wurde - ist das nicht so?«
Elend überkam sie. Ihr Magen hob sich vor Übelkeit. »Jawohl.«
»Dennoch habt Ihr ohne Zögern das Geld genommen, das ich Euch schickte, und Ihr hattet nichts dagegen, dass ich weiterhin für Euren Unterhalt zahlte.«
»Ja.«
»Ihr habt zugelassen, dass ich Euch Kleidung kaufte -dieses Gewand zum Beispiel, das Ihr im Augenblick tragt.«
Unbewusst strich sie über die wunderschöne aprikosenfarbene Seide, ihre Finger berührten eine Reihe von kunstvoll gestickten Rosen. Ein schmerzlicher Kloß hatte sich in ihrer Kehle gebildet. »Ja.«
»Wegen all dieser Details muss der Handel bestehen bleiben!«
Es brannte in ihren Augen. Sie blinzelte ein paarmal und weigerte sich, die Tränen fließen zu lassen. »Ja ...« Ihr Hals schmerzte. Lieber Gott, sie hatte niemals geglaubt, dass es wirklich so weit kommen würde.
Der Graf setzte sich in Bewegung; er lenkte seine Schritte in die Eingangshalle hinter der geschnitzten Doppeltür. Er war groß und schlank und dunkel - die machtvolle Anwesenheit, die er ausstrahlte, schien im Raum zu bleiben, selbst als er ihn verließ. Jenseits der Türschwelle hielt er noch einmal inne.
»Ich erwarte Eure Anwesenheit oben, Miss Summers.« Er machte sich nicht die Mühe, zu warten, ging ganz einfach weiter, sicher, dass sie ihm folgen würde. Krank vor Furcht gehorchte sie tatsächlich, überließ ihm die Führung, als sei er der Herr und sie seine Sklavin; sie ignorierte die Demütigung und folgte ihm die breite Steintreppe hinauf, durch den von Lampen erhellten Flur und dann in seine Räume.
Noch nie war sie in diesen Zimmern gewesen. Jetzt registrierte sie vage den ausgebleichten blauen türkischen Teppich, die verblichenen Samtvorhänge, die die matte Sonne abhielten, die sich durch die Fenster zu stehlen suchte. Es überraschte sie nicht, dass dieser Teil des Hauses genauso dunkel und trübe war wie der Rest.
Draußen blitzte es. Graue, dunkle Wolken verdeckten die Sonne, der Sturm entwickelte sich mittlerweile zu einem regelrechten Unwetter. Mit einem unheimlichen Heulen zischte der Wind durch die Fensterritzen. Ariels Schritte wurden langsamer, als der Graf den mit Marmor verzierten Wohnraum passierte und dann sein Schlafzimmer betrat. Erst am Fuße des riesigen Himmelbettes blieb er stehen.
Einen Augenblick lang rührte sie sich nicht, ihr Herz schlug heftig. Sie spürte seine Blicke, seine wintergrauen Augen auf sich - kalt wie der Nordwind, der draußen um das Haus fegte. Er stand dort und wartete, seine Miene war eisig, als sie langsam und vorsichtig auf ihn zuging, doch mitten im Raum stehen
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