Ein verfuehrerischer Handel
Vater nie für ihn da war. Auch seine Schwester scheint nur an sich selbst interessiert. Er hat einmal eine Großmutter erwähnt, aber er besucht sie seltsamerweise nie ... und der kleine Thomas lebt die meiste Zeit mit seiner Mutter auf dem Land.«
»Mir liegt etwas an ihm«, gestand Clay.
Ariels blaue Augen richteten sich auf ihn; es waren wundervolle, arglose Augen ... oder wenigstens schienen sie das zu sein. »Mir auch«, pflichtete sie ihm bei.
Clay dachte über diese Worte nach; er fragte sich, ob sie wohl ernst gemeint waren; würde es ihr gelingen, durch Justins hartes, zynisches Äußere den Mann auszumachen, der er wirklich war? »So wie ich gehört habe, habt auch Ihr niemanden, der sich um Euch sorgt. Vermutlich schafft das eine gewisse Gemeinsamkeit.«
Ihr Mund verzog sich zu einem sehnsüchtigen Lächeln. »In etwa schon. Aber im Gegensatz zu Justin wurde ich als Kind sehr geliebt. Ich hatte die wundervollste Mutter, die sich eine Tochter wünschen konnte, und zwei sehr liebevolle Großeltern. Erst nachdem sie gestorben waren und ich mit meinem Vater allein zurückblieb, fing meine Einsamkeit an. Ich weiß, wie wichtig Liebe ist. Aber ich glaube, Justin hat nicht die leiseste Ahnung davon.«
»Vielleicht könntet Ihr es ihm beibringen.«
»Es ihm beibringen?«
»Na ja, ein Mensch sollte eben wissen, wie es sich anfühlt, geliebt zu werden - ehe er selbst zu lieben beginnt. Das ist eine Sache der Erfahrung.«
»Schon möglich! Wenn ich genügend Mut hätte, könnte ich es versuchen. Doch leider ist mir das Risiko zu groß. Sobald meine Schulden abbezahlt sind, werde ich gehen. Lord Greville zahlt mir einen absurd hohen Lohn, aber ich erhebe beileibe keinen Widerspruch.« Sie lächelte schalkhaft. »Außerdem bin ich es wahrscheinlich sogar wert.«
Auch Clay lachte - ihm gefiel ihr Selbstvertrauen, das so ganz anders war als Justins eigene, düstere Komplexe.
»Wenn ich erst einmal meine Verpflichtungen erfüllt habe, hat Justin sich einverstanden erklärt, so eine Art Posten für mich zu finden. Ich vertraue auf sein Urteilsvermögen in dieser Hinsicht und werde auf alle Fälle mit der Stelle zufrieden sein, die er mir verschafft.«
»Selbstverständlich werdet Ihr das sein ... wenigstens für den Augenblick.«
»Was wollt Ihr damit sagen?«
Er zuckte die Schultern und hoffte, es sähe lässig aus. »Ihr seid jung und äußerst attraktiv. Da liegt es doch in der Natur der Dinge, dass Ihr eines Tages heiratet.«
»Ich bin eine Frau, Mr. Harcourt, und unterscheide mich nicht von anderen Frauen. Es ist wirklich mein Wunsch, eines Tages eine eigene Familie zu haben.«
Clay nickte nur. Auf den ersten Blick schien sie in der Tat all das zu sein, was Justin gesagt hatte - aufrecht und entschlossen, reizend ernsthaft. »Ich wünsche Euch Glück, Miss Summers! Bittet Justin, sich den Vorschlag anzusehen, den ich ihm auf den Schreibtisch gelegt habe. Richtet ihm aus, er soll bei mir vorbeikommen, ehe er die Stadt verlässt. Wir müssen schnell handeln, wenn wir dieses Geschäft abschließen wollen.«
»Ich werde ihm eine Notiz schreiben«, versprach Ariel ihm. »Falls er abreist, ehe ich ihn am Morgen sehe.«
»Danke.« Clay verabschiedete sich höflich, holte seinen Hut samt Handschuhen und verließ das Haus. In Gedanken war er noch bei der Unterhaltung, die er gerade geführt hatte. Als er im Club mit Justin über Ariel gesprochen hatte, war er mehr als überzeugt davon gewesen, sie sei noch immer das hinterhältige kleine Biest wie mit vierzehn.
Nach diesem Gespräch jedoch begann er zu glauben, dass er sich geirrt hatte. Wenn das der Fall war und Justin wirklich so sehr nach ihr verlangte, wie es schien, dann bot sich vielleicht doch eine Ehe an.
Clay nahm den Hut unter den Arm und streifte seine Handschuhe über. Sicher wäre es gar nicht so schlecht, verheiratet zu sein. Eine Menge Menschen heirateten. In Wirklichkeit hätte er nichts dagegen, eines Tages auch eine Frau und Kinder zu haben. Zwar war er wohl kaum ein Mann für nur eine Frau, aber das stellte sicher kein Problem dar - die meisten seiner Freunde tummelten sich weiter. Es würde Justin wahrscheinlich gut tun - ein paar Kinder, die im Haus herumhüpften, eine Frau, die ihm die Zuneigung schenkte, die er als Junge nie bekommen hatte. Vielleicht half sie ihm sogar dabei, diese verdammt irritierende Ruhe loszuwerden, die er wie einen eisernen Schutzschild zur Schau trug.
Oder am Ende war das Mädchen doch nicht so unschuldig,
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