Ein verführerischer Schuft
von ihr.
Wenn sie zu ihm kam, sollte es sein, weil sie ihn so wollte wie er sie.
So einfach - so machtvoll und uneingeschränkt.
Um all das zu erlangen, was er wollte, alle seine Ziele zu erreichen, war die Beachtung dieses Punktes entscheidend. Er hinterfragte nicht groß, weshalb es so war, aber er wusste, dass es unumgänglich war.
Sie beobachtete ihn, verwirrt, unsicher … Und ihre innere Spannung steigerte sich.
Er durchquerte das Zimmer und ging zu ihr. Sie sah ihn näher kommen, rührte sich aber nicht von der Stelle. Weder ging sie ihm entgegen, noch wich sie zurück.
Er blieb vor ihr stehen, durch die Schatten schaute er ihr ins Gesicht. Langsam hob er beide Hände, strich ihr federleicht mit gespreizten Fingern über die Wangen, dann umfing er ihr Gesicht und bog ihren Kopf leicht nach hinten, beugte sich vor und küsste sie auf den Mund.
Sie öffnete sich ihm bereitwillig; sie erwiderte den Kuss, drängte ihn nicht, weiterzumachen, verleugnete ihren beiderseitigen Hunger aber auch nicht. Sie legte ihre Hände leicht auf seine, eine zurückhaltende und sehr weibliche Liebkosung.
So standen sie eine lange Weile, im kühlen dunklen Salon, nur wenige Zoll voneinander entfernt, während sie ihre Münder miteinander zu verschmelzen suchten.
Das leise Schlagen einer Uhr unterbrach die Stille, erinnerte ihn an die verstrichene Zeit. Zögernd wich er zurück, löste sich von ihr. Ebenso zögernd - so schien es ihm - ließ sie es zu.
Er hob den Kopf und schaute ihr ins Gesicht, in die Augen, die er nur ungenau erkennen konnte. Auch wenn er den Ausdruck darin unmöglich lesen konnte, brauchte er keinen sichtbaren Hinweis, dass sie sich des sinnlichen Strudels, der sie zu erfassen drohte, ebenso deutlich, ja beinahe schmerzlich bewusst war - der kaum zu zähmenden Kraft der Anziehung zwischen ihnen.
Er senkte seine Hände, musste sich räuspern, um seine Stimme wiederzufinden.
»Ich gehe dann jetzt wohl besser.« Trotz seines Entschlusses war da der Hauch einer Frage aus seinen Worten zu hören.
Sie holte tief Luft, sodass ihr Busen sich erkennbar hob, und nickte.
»Ja. Und … danke für alles, was du getan hast.«
Keine anderen Worte hätten ihn besser davon überzeugen können, dass er gehen sollte. Er drehte sich zur Tür um. Sie folgte ihm. Er machte einen Schritt zur Seite, damit sie vor ihm über die Schwelle treten konnte. Gerade, als sie das tat, klopfte es an der Haustür.
Sie erstarrten beide, dann schob er sie zur Seite und sagte:
»Lass mich nachsehen, wer es ist.«
Sie hatte keine Einwände, sondern blieb dort stehen, wo er sie hingeschoben hatte, und wartete, während er die Eingangshalle durchquerte und die Haustür öffnete.
Einer seiner Lakaien sah ihn an, lächelte erleichtert.
»Mylord.« Er verneigte sich und hielt ihm einen Brief hin.
»Dies hier ist aus dem Bastion Club gekommen mit der Anweisung, es Ihnen so rasch wie möglich zu übergeben.«
Tony nahm die Nachricht.
»Danke, Cox.«
Ein rascher Blick auf das Siegel unterrichtete ihn, dass das Schreiben von Jack Warnefleet stammte.
»Gute Arbeit. Ich kümmere mich darum. Sie können jetzt gehen.«
Cox verbeugte sich wieder und tat das. Seine Schritte verklangen auf dem Gehsteig, während Tony die Tür wieder schloss.
»Was ist es? Neuigkeiten?« Alicia kam zu ihm.
»Höchstwahrscheinlich.« Tony brach das Siegel und faltete das einzelne Blatt auf. Und überflog den einen Satz, der darauf stand.
»Was? Von wem ist es?«
»Jack Warnefleet. Er hat sich Ruskins Verbindungen aufs Land näher angesehen.« Er legte das Blatt zusammen und steckte es sich in seine Tasche.
»Er ist mit Nachrichten zurückgekehrt, von denen er meint, ich sollte sie unverzüglich hören.«
Jack hatte geschrieben, er habe etwas Wesentliches entdeckt und schlage daher vor, dass Tony unverzüglich in den Bastion Club kommen solle, damit er es ihm mitteilen könne, »uzs« stand noch da. Und zwar schnell. Das hieß dringend, mit gebotener Eile.
Die Möglichkeit, dass sie schließlich vielleicht doch einen Ansatzpunkt bei A.C. hatten, hatte eine anregende Wirkung auf seine Sinne und weckte seinen Jagdinstinkt.
»Er ist im Club - ich gehe sofort zu ihm.«
Er schaute Alicia an. Seine plötzliche Aufmerksamkeit war ihr nicht verborgen geblieben; mit großen Augen griff sie nach der Türklinke.
»Du wirst es mir gleich sagen, wenn du etwas Wichtiges erfährst, ja? Zum Beispiel wer sich hinter A.C. verbirgt?«
In Gedanken war er schon damit
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