Ein verführerischer Schuft
die Zeit offenkundig genossen; sie hatte mit höchster Befriedigung verfolgt, wie er in etwas aufging, was er als Junge geliebt haben musste.
»Hm.« Er beobachtete die Drachen und zögerte. Sie hatte den vagen Eindruck, dass er sich innerlich wappnete, der Versuchung der Drachen zu widerstehen, um etwas anderes zu tun, etwas, was er nicht gerne tat.
Ein Moment verstrich, dann blickte er sie an.
»Genau genommen bin ich gekommen, um mit dir zu sprechen.«
Sie blickte ihn mit großen Augen auffordernd an.
Trotzdem zauderte er weiter, schaute sie forschend an - mit einem Mal erkannte sie, dass er sich innerlich wie für ein Gefecht rüstete.
»Ich möchte, dass du umziehst.«
Sie runzelte die Stirn.
»Umziehen? Aber warum denn? Waverton Street passt uns doch ausgezeichnet …«
»Aus Sicherheitsgründen. Eine reine Vorsichtsmaßnahme.« Er hielt ihrem Blick stand.
»Ich möchte nicht, dass du oder der Haushalt hier noch einmal einem Zwischenfall wie gestern ausgesetzt seid.«
Dem wollte sie gewiss nicht widersprechen; niemand hatte die Erfahrung gerne gemacht. Aber … die Falten auf ihrer Stirn vertieften sich.
»Wie wird ein anderes Domizil verhindern …« Die Eindringlichkeit seines Blickes fiel ihr auf. Sie öffnete den Mund, starrte ihn an, dann fragte sie rundheraus:
»In welches Haus sollen wir umziehen?«
Seine Lippen wurden schmal.
»In meines.«
»Nein.«
»Ehe du die Idee von dir weist, denke bitte nach … Unter meinem Dach zu leben bedeutet, dass du nicht nur den Schutz meines Titels genießt, meines Standes, sondern auch den all jener, die mir und meiner Familie verbunden sind.«
Sein Blick durchbohrte sie förmlich.
»Und deine Brüder und deine Schwester ebenfalls.«
Sie verschränkte die Arme vor sich und betrachtete ihn aus schmalen Augen.
»Für den Moment lass Adriana und die Jungs außen vor - es ist mir nicht entgangen, dass du immer schnell damit bei der Hand bist, sie mit hineinzuziehen.«
Er betrachtete sie mit zusammengezogenen Brauen.
»Sie sind aber ein wichtiger Teil von allem - sie sind ein wichtiger Teil deines Lebens.«
»Vielleicht. Aber sei das, wie es wolle, du kannst doch nicht ernstlich annehmen …«
Er schnitt ihr mit erhobener Hand das Wort ab.
»Lass mich bitte zu Ende erklären, was ich beabsichtige. Wenn du dir wegen des Anstandes Sorgen machst, so lass dir versichern, dass meine Cousine mit ihren beiden jungen Töchtern - sie sind zehn und zwölf Jahre alt - morgen eintreffen wird. Wenn Miranda im Haus wohnt, gibt es keinen Grund mehr - gesellschaftlich, logisch oder sonst etwas -, der dagegen spräche, dass du mit deinen Geschwistern in Torrington House bleiben kannst. Es ist ein herrschaftliches Stadthaus - es gibt mehr als genug Platz.«
»Aber …« Sie starrte ihn an. Die Worte:
» Ich bin doch deine Mätresse, um Himmels willen!«, brannten ihr auf der Zunge. Sie biss die Lippen zusammen und starrte ihn an, fragte knapp:
»Was wird die Dienerschaft denken?«
Was sie in Wahrheit meinte, war: Was wird die gesamte gute Gesellschaft nur denken? Seine Mätresse zu sein war eine Sache, darauf achtete niemand weiter, solange alles diskret gehandhabt wurde. Doch dass er seine Mätresse unverhohlen in seinem Haus einquartierte, das ging - dessen war sie sich ziemlich sicher - doch eher einen Schritt zu weit.
Seine Miene spiegelte seine Verblüffung wider.
»Meine Dienerschaft?«
»Genau, deine Diener. Die Leute, die mit der Invasion irgendwie fertig werden müssen.«
»Zufällig verhält es sich so, dass sie von der Aussicht entzückt sind.« Sein Stirnrunzeln kehrte zurück.
»Ich kann mir nicht vorstellen, weshalb du etwas anderes denken könntest. Mein Butler läuft mit einem breiten Lächeln herum, seit ich ihn davon unterrichtet habe, was ich plane, und die Diener eilen geschäftig umher, um alles vorzubereiten.«
Sie blinzelte, mit einem Mal verunsichert. Wenn sein Butler glaubte, es wäre hinnehmbar, wenn sie in das Stadthaus in der Upper Brook Street einzog … Soweit sie es bislang begriffen hatte, waren die vornehmen Butler beinahe ebenso pingelig wie die Grandes Dames, wenn es darum ging, auf die Einhaltung von Anstandsregeln zu achten.
Tony seufzte.
»Ich weiß, wir haben es noch nicht richtig diskutiert, aber es bleibt nicht viel Zeit. Bloß weil wir A.C.s letzte drei Versuche vereiteln konnten, heißt es nicht, dass er es nicht erneut versuchen wird.« Mit entschiedener Miene sah er ihr in die Augen.
»Dass er es überhaupt
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