Ein verführerischer Schuft
sie eintraf. Nach der Vorstellung hielt sich Miranda im Hintergrund und überließ es der Haushälterin, einer älteren Frau mit eindrucksvollem Äußeren, dessen Strenge durch das belustigte Glitzern in ihren Augen gemildert wurde, Alicia durch das Haus zu führen.
»Wir dachten, ihren jüngeren Brüdern würde es am besten hier oben gefallen, Madam.« Mrs. Swithins ging voraus in das Schulzimmer; sie deutete auf die Räume, die von dem Zimmer abgingen.
»Es gibt drei Betten in dem langen Raum und zwei im angrenzenden, sodass sie alle zusammen schlafen können oder getrennt, ganz wie es ihnen passt.« Sie lächelte Alicia an. »Wir waren uns nicht sicher, daher haben wir beide Zimmer vorbereitet.«
Alicia runzelte nachdenklich die Stirn.
»Sie sind es gewöhnt, zusammen zu sein, aber David ist zwölf.«
Mrs. Swithins nickte.
»Wir können die Entscheidung ihnen selbst überlassen, was ihnen am liebsten ist.«
Mit einem dankbaren Neigen ihres Kopfes folgte Alicia ihr weiter zu den Kammern für Fitchett und Jenkins.
»So werden sie nah genug bei den Jungen sein, um zur Stelle zu sein, falls es nötig wird.« Damit segelte Mrs. Swithins weiter.
Die Zimmer im ersten Stock, die für ihre und Adrianas Benutzung fertig gemacht worden waren, überraschten Alicia zwar nicht wirklich, denn sie hatte mit so etwas gerechnet, aber sie gaben ihr das Gefühl, in einem Märchen gelandet zu sein. Oder in ihren eigenen Träumen - das passte noch besser.
Ihr Zimmer lag im Mittelbau des Gebäudes, über dem Ballsaal und mit Blick auf die Gärten. Es war großzügig geschnitten und hatte sogar eine Sitzecke mit zwei Polsterstühlen vor dem Kamin; daneben war es mit einem eleganten Damenschreibtisch an der Wand, einem riesigen Schrank und einem gewaltigen Himmelbett möbliert. Vor den breiten Fenstern befanden sich weich gepolsterte Bänke. Die Vorhänge am Bett und an den Fenstern waren aus blassgrüner Seide und die Überdecke auf dem Bett altweiß mit grüner Stickerei.
»Der Master hat erwähnt, dass Ihre Zofe Sie nicht begleitet, daher möchte ich Ihnen anbieten, dass Ihnen Bertha hier zur Hand geht.« Mrs. Swithins winkte ein junges Mädchen zu sich, das eifrig vortrat und einen schüchternen Knicks machte.
»Sie kennt sich mit der Garderobe einer Dame aus und ist geschickt mit den Händen.«
Alicia erwiderte Berthas Lächeln, war selber ein wenig schüchtern. Sie hatte nie zuvor eine Zofe gehabt, nur Fitchett, was nicht ganz dasselbe war.
»Ich habe Ihre Kleider bereits in den Schrank gehängt, Madam.« Berthas Stimme war leise, sie hatte einen leichten, angenehm ländlichen Akzent. Sie nahm sichtlich ihren Mut zusammen und schaute Alicia an.
»Und es sind so wunderschöne Kleider.«
»Danke, Bertha.« Alicia zögerte, dann fügt sie hinzu: »Ich werde deine Hilfe gleich heute Abend beim Ankleiden brauchen - wir müssen zu einem Dinner und zu zwei Bällen.«
»Oh?« Miranda spitzte die Ohren. Sie trat vor und hakte sich bei Alicia unter.
»Was höre ich da? Tony wagt sich in Gesellschaft? Was kommt als Nächstes? Sie müssen es mir sofort erzählen!«
Alicia lachte. Sie dankte Mrs. Swithins, dann ließ sie sich von Miranda wieder nach unten führen.
Der Rest ihrer Familie traf gerade rechtzeitig zum Lunch ein. Tony kam aus einem Raum, von dem Alicia vermutete, dass es sich um die Bibliothek handelte, und gesellte sich zu ihnen, dann brachte er sie alle in den Speisesaal, wo Miranda sie bereits mit ihren beiden Töchtern erwartete.
Wenn sich Kinder frisch kennenlernten, konnte es durchaus zu unangenehmen Pausen kommen; in diesem Fall verhinderte die Ankunft der Diener, die das Essen hereintrugen, irgendwelche Schwierigkeiten. Rasch setzten sie sich auf die Stühle, die Tony und Miranda ihnen zuwiesen. Sowohl Mirandas Töchter als auch Alicias Brüder zeigten ihr bestes Benehmen, und anfangs waren die Antworten noch gestelzt. Aber das dauerte nur, bis der Deckel von der Platte mit den Würstchen genommen wurde. Danach mussten sie einander bitten, dies oder das anzureichen oder weiterzugeben, sodass das Eis bald gebrochen war.
Margaret und Constance waren gesunde, pausbäckige Mädchen mit langen blonden Zöpfen; beide griffen herzhaft zu und verrieten keinerlei Scheu angesichts der Anwesenheit der Jungen. Das weckte Davids und Harrys Neugier genug, um sie zum Drachensteigen im Park einzuladen.
Die Mädchen schauten einander an, dann nickten sie.
Drei Gesichter wandten sich daraufhin fragend Alicia zu und zwei
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