Ein verfuehrerischer Tanz
er sich ärgerte, weil sie den bedauernswerten Leo lobend hervorhob. Das alles ließ nur eine logische Schlussfolgerung zu.
Er war in Amelia Claire d’Orsay verschossen.
Irrational, mag sein; unvermutet, ganz gewiss. Aber es ließ sich nicht ändern.
»Danke, dass Sie sie nach Hause gefahren haben, Hoheit«, sagte der Graf.
Es war ein eleganter Rauswurf, genau wie vorhin ihre nicht gerade elegante Bemerkung: »Sie können jetzt gehen.« Ungerührt blieb Spencer stehen. Er war der Duke of Morland und ließ sich nicht wegschicken wie ein dummer Junge. Und wenn er auf etwas – oder jemanden – versessen war, bekam er, was er sich in den Kopf gesetzt hatte.
Folglich sagte er:
»Ich darf hinzufügen, Beauvale, dass wir, nachdem wir von der Tragödie erfahren hatten, die Residenz der Bunscombes heimlich gemeinsam verlassen haben. Wer uns dabei beobachtet hat, konnte den Eindruck gewinnen, dass wir uns zu einem Schäferstündchen zurückziehen wollten.«
»Verstehe.« Der Earl legte die Stirn in Falten. »Es ist aber nichts passiert, nicht wahr?«
Spencer blickte zu Lady Amelia.
»Amelia?«, drängte Beauvale. »Es ist doch nichts passiert, oder?«
»Oh nein. Nein, ganz bestimmt nicht.« Sie errötete tief und wirkte wenig glaubhaft.
»Verstehe.« Beauvale funkelte Spencer an. »Die Leute werden darüber reden, meinen Sie?«
»Ja, das ist anzunehmen. In der Tat werden sie sich die Mäuler zerreißen, wenn sie von der Verlobung erfahren. Also machen wir es kurz.«
Schweigen breitete sich aus.
Schockiert starrten die Geschwister ihn an. Spencer wippte gelassen auf seinen Absätzen vor und zurück.
Lady Amelia löste sich von ihrem Bruder und sank auf den nächstbesten Stuhl. Na endlich.
»Verzeihung, Hoheit«, begann sie, »haben Sie gerade etwas von Verlobung gesagt?«
»Ja, und damit meine ich unsere Verlobung.«
Abermals folgte betretenes Schweigen.
Spencer räusperte sich. »Um es kurz zu machen, Beauvale, ich trage mich mit dem Gedanken, Ihre Schwester zu heiraten.«
Der Earl hob eine Braue.
»Heißt das, Sie wollen ganz offiziell um ihre Hand anhalten?«
»Hab ich das nicht gerade gesagt?«
»Nein«, versetzte Lady Amelia mit einem gestelzten Lachen. »Nein, das haben Sie nicht.« Herablassend blickte sie Spencer an und fügte hinzu: »Laurent, würdest du uns bitte allein lassen?«
»Ja«, antwortete ihr Bruder. »Wenn auch höchst ungern. Ich warte im Salon.«
»Danke«, sagte sie kühl. »Es dauert nicht lange.«
5
A melia funkelte den Herzog an. Er wirkte kerngesund, seine Miene gefasst, seine Haltung aristokratisch, über jeden Zweifel erhaben. Trotzdem rutschte ihr die Frage heraus:
»Sind Sie wahnsinnig geworden?«
»Nein«, antwortete er schnell. »Nein, ich bin im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte und in ausgezeichneter körperlicher Verfassung. Wenn Sie vor der Hochzeit Genaueres wissen wollen, wenden Sie sich an meinen Leibarzt. Er wird Ihnen das gern bestätigen.«
Oh Gott, war es ihm damit ernst?
Anscheinend ja, denn er nickte.
»Das wird nicht nötig sein. Verzeihen Sie, wenn ich meine Frage von vorhin wiederhole. Was um alles in der Welt hat Sie dazu bewogen, mich heiraten zu wollen?«
»Ist das nicht offensichtlich?« Er setzte sich auf die Kante von Laurents Schreibtisch. »Ihr guter Ruf ist in Gefahr.«
»Aber bloß weil Sie ihn in Gefahr bringen! Zwischen uns ist rein gar nichts gewesen. Wieso legen Sie es bewusst darauf an, dass mein Bruder etwas anderes glauben soll?«
»Irrtum, Sie sind diejenige, die ihm etwas anderes vormacht, dauernd stammeln und erröten Sie. Ich verhalte mich schlicht wie ein Ehrenmann, indem ich Ihnen nicht widerspreche.«
»Sie, ein Ehrenmann? Das ist ja mal was ganz Neues. Und was war das vorhin, als Sie in der Kutsche über mich hergefallen sind?«
»Das war … ein Experiment.«
»Ein Experiment«, wiederholte sie ungläubig. »Und was, bitte schön, hat Ihnen dieses Experiment gebracht?«
»Zwei Dinge. Einmal weiß ich jetzt, dass Sie noch Jungfrau sind.«
»Waaas? Sie wollten testen, ob ich …« Das war unerhört! Ihr fehlten die Worte. »Sie haben festgestellt, dass ich noch Jungfrau bin, indem Sie mir ins Bein gekniffen haben?«
»Ja.«
Sie presste eine Hand auf die Augen und rieb mit einer Fingerspitze über ihre Braue.
»Verzeihen Sie, Hoheit. Wollen Sie mir etwa weismachen, dass eine Frau so etwas wie ein … ein Stück Obst für Sie ist? Einmal feste zudrücken und Sie wissen, ob sie reif ist?«
»Nein.« Er lachte
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