Ein verfuehrerischer Tanz
Seit Jahren musste sie jeden Penny zweimal umdrehen, bevor sie ihn ausgab. Und Summen in dieser Höhe … überstiegen schlicht ihre Vorstellung.
»Was Sie mit diesem Geld machen, ist Ihre Sache, aber seien Sie nicht zu großzügig mit Ihrem Bruder. Sie können natürlich für seine Schulden geradestehen, trotzdem werden Sie den Sommer nicht in Ihrem Cottage verbringen. Sie begleiten mich auf meinen Landsitz in Cambridgeshire.«
»Wir fahren nach Braxton Hall?«
Er nickte.
Sie kannte das Anwesen aus Erzählungen. Nicht weil der Duke of Morland dort wilde Orgien feierte, sondern weil seine Tante und sein Onkel dort früher zu rauschenden Festen geladen hatten. Die älteren Damen aus der besseren Gesellschaft schwelgten bisweilen in Nostalgie und schwärmten in epischer Breite von Braxton Hall. Angeblich war es das größte, luxuriöseste Anwesen in East Anglia.
Ihr entwich ein leises melancholisches Seufzen.
»Keine Sorge, ich werde Sie mit jedem erdenklichen Luxus umgeben, den man für Geld kaufen kann. Dafür verlange ich im Gegenzug, dass Sie mit mir schlafen, bis zur Geburt des ersehnten Stammhalters. Und ich erwarte selbstverständlich, dass Sie mir treu sind.«
Sie dachte an die letzte Nacht, als er in arrogantem Ton von dem vermaledeiten Hengst gesprochen hatte: »Ich pfeif auf die Deckrechte an Osiris. Ich will den Hengst, denn ich teile nicht gern.«
Bei einem Pferd mochte das ja noch verzeihlich sein, aber bezogen auf eine Frau war es verletzend, demütigend und gemein und … meine Güte, erregend.
»Begreiflich«, antwortete sie, um einen gleichmütigen Ton bemüht. »Und Sie sind mir ebenfalls treu?«
»Dieses Wollstonecraft-Weibsbild hat Ihnen wohl einen Floh ins Ohr gesetzt, was? Na gut. Bis zur Geburt eines Sohnes dürfen Sie mit meiner Treue rechnen. Danach können wir unser Arrangement neu gestalten. Meinetwegen brauchen Sie dann auch nicht mehr mit mir zusammenzuleben.«
Es wurde zunehmend grotesker. Sie kam sich vor wie ein Möbelstück, das man nach Herzenslust verrücken konnte.
Als sie betroffen schwieg, fügte er hinzu: »Nennt man so etwas nicht ein gleichberechtigtes Verhältnis?«
»Ja, schon, aber gleichzeitig kommt es mir kalt, bequem und herzlos vor.«
»Was erwarten Sie denn von mir? Romantische Liebeserklärungen? Das wäre Augenwischerei und für uns beide eine Beleidigung.«
Amelia stand auf und sagte ruhig:
»Ich habe heute Morgen schon genug Beleidigungen einstecken müssen.«
»Mir reißt allmählich der Geduldsfaden.« Er stellte sich ihr in den Weg. »Ich habe Ihnen einen Heiratsantrag gemacht, und es ist sicher das lukrativste und beste Angebot, das Sie je bekommen werden – und vermutlich auch das letzte. Ich habe Ihre unsäglichen Fragen beantwortet und Ihnen äußerst großzügige Zusagen gemacht. Also Madam, darf ich um Ihre Antwort bitten?«
Worauf er sich verlassen konnte. Sie würde ihm eine Antwort geben.
Aber vorher wollte sie ihm noch eins auswischen.
»Eine letzte Frage noch, Sir. Sie haben vorhin gesagt, dass Sie nichts dagegen hätten, mit mir ins Bett zu gehen. Woher wissen Sie denn, dass es mir genauso geht? Vielleicht finde ich es ja schlimm.«
Er wich unwillkürlich einen Schritt zurück, als wolle er auf Abstand gehen. Womöglich hatte er Angst, dass sie an einer ansteckenden Geisteskrankheit litt.
Sie lächelte und genoss den Triumph. »Schauen Sie mich nicht so an, Sir. Ich hab bestimmt nicht vor, Sie in den Schenkel zu zwicken.«
In diesem Moment machte sie den Fehler, ihren Blick auf seine Schenkel zu richten. Muskulöse, gut geformte Schenkel, die hart wie Granit anmuteten.
»Ach nein?«
Schnell wanderten ihre Augen zu seinem Gesicht.
»Nein. In diesen Dingen sind Frauen erheblich feinfühliger.«
Er lachte höhnisch, aber sie spürte seine Abwehrhaltung.
»Ich bin vielleicht noch Jungfrau, Hoheit, aber ich bin nicht blöd.«
»Keine Frage. Liegt wohl an der rebellischen Frauenlektüre, was?«
Sie ignorierte seinen kläglichen Versuch eines Scherzes. »Bevor ich Ihnen eine Antwort auf Ihren Antrag gebe, möchte ich gern selbst ein Experiment mit Ihnen machen.«
Wilde Panik flackerte in seinen Augen auf. Oder war dieses Funkeln unverstellte Lust?
Sei nicht albern, wies sie sich zurecht, es ist Panik. Sie jubelte innerlich.
»Und was für ein Experiment schwebt Ihnen vor?«
»Ein Kuss.«
»Na schön, wie Sie wollen.« Er trat einen Schritt vor und neigte den Kopf, als wollte er ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange
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