Ein verfuehrerischer Tanz
können.«
»Ich kann nicht reiten.«
Er blieb abrupt stehen und blickte sie fassungslos an.
»Du kannst nicht reiten!?«
»Nein«, antwortete sie beschämt.
»Soll das ein Witz sein? Deine Familie ist zwar nicht wohlhabend, aber ich weiß, dass ihr Pferde habt.«
»Natürlich, aber ich habe nie Reiten gelernt.«
Er schüttelte den Kopf und geleitete sie ins Haus. In der Halle wurden sie vom Butler und der Haushälterin empfangen.
»Willkommen daheim, Hoheit.« Der grauhaarige Butler verbeugte sich vor dem Herzog. Dann drehte er sich zu Amelia und verneigte sich abermals. »Ihre Hoheit.«
»Ich schätze, Sie haben meine Nachricht bekommen«, sagte Spencer.
»Gestern Morgen, Hoheit.« Die Haushälterin machte einen Knicks. »Meinen Glückwunsch zu Ihrer Hochzeit. Die Gemächer für Ihre Hoheit sind frisch gelüftet, es ist alles vorbereitet.«
»Sehr gut. Ihre Hoheit fühlt sich nämlich nicht gut. Sehen Sie zu, dass sie sich ausruht.« In schroffem Ton stellte er die Angestellten als Clarke und Mrs. Bodkin vor.
»Was für eine schöne Empfangshalle«, schwärmte Amelia. Das Kompliment war an die Haushälterin gerichtet, da sie hoffte, sich Mrs. Bodkin zur Verbündeten zu machen. Nach einem eingehenden Blick auf die vielen goldgerahmten Gemälde überlegte sie laut: »Ist das da ein Tintoretto?«
»Ja«, bekräftigte Spencer.
»Das dachte ich mir.« Ihre Familie hatte früher ein ähnliches Bild besessen. Bloß dass ihr Tintoretto unter den Hammer gekommen war. Von dem Erlös hatten sie ein Jahr lang ihre Ausgaben bestritten.
»Spencer!«
Amelias Blick schoss zum Treppenaufgang, wo eine junge Frau am Geländer lehnte.
»Spencer, du bist wieder da!«
Das musste Claudia sein. Sonderbar, hatte Spencer ihr nicht erzählt, sein Mündel sei auf Besuch bei Verwandten in York? Trotzdem gab es keinen Zweifel. Eine gewisse Ähnlichkeit war vorhanden. Sie hatten beide dunkel gelocktes Haar und hohe Wangenknochen. Claudias unschuldig-naive Züge bildeten einen Kontrast zu ihrer weiblichen Figur. Sie war im Begriff, die Schwelle zum Erwachsensein zu überschreiten.
»Was machst du denn hier?«, fragte Spencer. »Du wolltest doch noch eine Woche in York bleiben, oder?«
»Oh, ich hab darum gebeten, dass sie mich früher nach Hause schicken. Und als diese grässliche alte Schreckschraube sich sträubte, habe ich mich einfach danebenbenommen, und sie war froh, dass sie mich loswurde. Wir haben dir einen Brief geschickt, der sich wohl mit deiner Rückreise überschnitten hat.« Eilig kam die junge Dame die marmorne Treppe hinunter, sodass sich ihr Kleid aus feinem zartrosa Baumwollbatist bauschte. Ihre Wangen waren gerötet, und sie strahlte vor Wiedersehensfreude. Es war offensichtlich, dass sie Spencer vergötterte.
»Du bist unverbesserlich, du böses Mädchen.« In seinen Worten schwang zwar ein vorwurfsvoller Unterton mit, gleichwohl fing Amelia seinen warmen Blick auf. Obschon er es nicht unbedingt zeigen mochte, hing er zweifellos genauso an Claudia.
Die Erkenntnis gab Amelia neue Hoffnung. Immerhin war es beruhigend zu wissen, dass ihr Mann zu tiefer Zuneigung fähig war. Andererseits fand sie es frustrierend, dass er sich bei ihr wie ein Elefant im Porzellanladen aufführte.
Mit einem Mal blieb Claudia stehen und schaute forschend zu Amelia.
»Ist sie etwa meine neue Anstandsdame?«
Amelias ohnehin gereizter Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen. Das fing ja gut an!
»Nein«, antwortete Spencer zögernd, »sie ist nicht deine neue Anstandsdame.«
»Ein Glück.« Claudia lächelte. »Nach ihrem Aussehen zu urteilen habe ich zwar gedacht, dass sie die Zofe von der neuen Anstandsdame ist, aber ich wollte sichergehen. Man will schließlich nicht unhöflich zum Personal sein.«
Amelia hatte es die Sprache verschlagen. Hastig drehte sie sich zu Spencer um und schaute ihn fragend an.
Claudia plapperte indes unbeschwert weiter.
»Reist meine neue Anstandsdame erst später an?«
Spencer presste die Kiefer aufeinander.
»Du bekommst keine neue Anstandsdame.«
»Aber …« Missmutig runzelte sie die Stirn. »Du hast mir doch versprochen, dass ich eine neue kriege, wenn du aus London zurückkehrst.«
»Claudia.« Angesichts seines scharfen Tons fuhr das Mädchen zusammen und sah ihn an, süß und unschuldig wie ein Hundebaby. Das wurde ja immer schöner!
»Lady Claudia«, sagte er mit fester Stimme, bemüht, dem Mädchen wenigstens einen Hauch von gutem Benehmen beizubringen. »Ich darf dir Amelia
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