Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I
… nun ja, im Handel gibt es immer Unsicherheiten …«
Oh nein, so leicht kam er nicht davon. »Aber Mr Thorold ist doch ein etablierter Kaufmann. Selbst wenn es einen wirtschaftlichen Einbruch gäbe, würde es andere Unternehmen vor seinem treffen.« Sie wandte sich Angelica zu. »Hat es Ihr Vater nicht genau so ausgedrückt, vor einigen Tagen beim Abendessen?«
Angelica nickte eifrig. »Allerdings. Das hat er immer gesagt.«
Der gequälte Ausdruck wich nicht von Michaels Gesicht. »Aber mein Liebling, wir haben doch über diese anderen Dinge geredet …«
»Anderen Dinge?« Mary sah ihn mit unschuldig aufgerissenen Augen an.
Die Jungvermählten erröteten und Mary ließ Michael nicht aus den Augen.
Zögernd redete er weiter. »Vor ein paar Wochen sind mir in der Buchhaltung der Firma einige Ungereimtheiten aufgefallen. Zunächst war ich sicher, dass es sich nur um Übertragungsfehler handelte, aber als ich Mr Thorold darauf aufmerksam machte, sagte er mir, ich solle mich nicht darum kümmern; er würde sie bereinigen. Das entsprach nicht der üblichen Vorgehensweise. Als sein Sekretär hätte ich die Verbesserungen kontrollieren müssen. Aber ich ließ die Sache laufen. Erst in letzter Zeit – ungefähr vor zwei Wochen – warf ich zufällig einen Blick auf unsere Quartalsabrechnung und stellte fest, dass die Ungereimtheiten immer noch da waren.« Er schwieg, und Mary bemühte sich, einen möglichst gelassenen Eindruck zu machen. »Natürlich habe ich Thorold erneut darauf angesprochen. Er ist sehr beschäftigt und manchmal vergisst er das eine oder andere. Aber er beharrte darauf – und zwar ziemlich barsch –, dass die Sachen in Ordnung seien, und forderte mich auf, dass ich mich verd–« – er warf einen Blick auf Angelica – »dass ich mich gefälligst um meine eigenen Angelegenheiten kümmern solle.« Wieder schwieg er. »Tut mir leid, dass ich Sie mit so etwas belaste«, sagteer rasch. »Die Einzelheiten des Unternehmens dürften Sie wohl kaum interessieren.«
»Aber natürlich liegt mir das Wohl von Angelica und Ihnen am Herzen«, sagte Mary sanft. In Wirklichkeit wollte sie natürlich nur mehr Informationen aus Michael Gray herauskitzeln.
»Tja … kurz und gut: Da stimmt irgendwas nicht. Diverse Leute haben gelegentlich bestimmte Beträge erhalten. Ungewöhnlich hohe Beträge.«
»Er ist ein sehr großzügiger Mann«, verteidigte Angelica ihren Vater. »Er gibt allen möglichen Leuten Geld.«
Michael wand sich. »Das stimmt, Liebling –«
»Einer der höchsten Beträge ist an ein Heim für alternde Seeleute gegangen!«, betonte sie beharrlich. »Das ist doch offensichtlich nichts als eine Spende!«
»Ja-a-a«, sagte Michael. »Aber es ist das Durcheinander in den Abrechnungen, das mich so nervös macht, Liebling.«
»Doch Mr Thorold ist der Ansicht, dass alles so ist, wie es sein sollte?« Mary versuchte, beiläufig zu klingen.
Michael trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. »Nicht wie es sein sollte; wie er es haben möchte.«
»Das ist ein schwerwiegender Vorwurf«, sagte Mary.
Er seufzte. »Das weiß ich. Ich bin natürlich nicht in einer Position, Kritik zu üben. Ich glaube daher, es ist das Beste, wenn ich kündige.«
Sie hätte schreien können, doch sie versuchte, einenvernünftigen Ton zu finden. »Bestimmt wäre es doch angebracht, die Behörden einzuschalten? Immerhin haben Sie Beweise für diese … Ungereimtheiten gesehen.«
Michael lächelte verbissen. »In einer perfekten Welt wäre es das natürlich. Aber ich muss doch an meine Frau denken …« Er lächelte Angelica zu, als er sie so vertraulich bezeichnete. »Und an unsere zukünftige Familie. Wer stellt schon einen Sekretär ein, der herumschnüffelt und seinen Arbeitgeber dann anzeigt? In meinem Gebiet wird Loyalität höher angesehen als andere Tugenden.«
Mary wurde ungeduldig. »Vielleicht könnten Sie die Information ja einem Dritten zukommen lassen? Anonym?«
Michael machte ein nachdenkliches Gesicht. »Das wäre eine Möglichkeit … obwohl Angies Familie dann trotzdem in Misskredit geriete.«
Angelica nickte ängstlich. »Ich verstehe Sie, Miss Quinn. Aber wir sind in einer fürchterlichen Lage. Ich komme mir schon wie eine schreckliche Verräterin vor, wenn ich Michael nur bei seinen Bedenken zuhöre. Und ich muss doch auch an meine Mutter denken … ihre Gesundheit ist so angegriffen.«
Stimmte das? Mary war versucht, das infrage zu stellen. Hatte
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