Ein verhaengnisvoller Winter
Ich hab gedacht, du hältst dich für so gescheit.“ Lisbeth prüfte vorsichtig, ob das Bügeleisen heiß genug war.
Josefine verschränkte die Arme vor der Brust. Sie war die einzige, die von dem Rahmen wissen konnte. Da war sie sich ganz sicher. Dann kam ihr ein Gedanke und ihr wurde ganz flau. „Du hast dich also über mich unterhalten?“
„Na, was denkst du denn?“
„Mit wem denn?“
Lisbeth sah auf. „Na, mit wem schon? Mit Mama und Margot.“
„Hat die Anneliese da vielleicht die Sache mit dem Rahmen erwähnt?“, fragte Josefine leise.
Lisbeth hielt im Bügeln inne. „Was?“, fragte sie dann.
„Ich-.“
„Josefine“, stieß Lisbeth genervt aus, „Ich hab jede Menge Arbeit. Ich hab einen Haushalt, drei Kinder und eine Mutter zu versorgen, die nur noch in der Ecke sitzt. Ich hab nicht den ganzen Tag frei, um mir Gedanken über irgendwelche belanglosen Dinge zu machen. Also, wenn sonst nichts ist?“ Lisbeth zog fragend die Brauen hoch.
Josefine stieß den Atem aus. „Nein, sonst ist ni chts. Tut mir leid, Lisbeth, dass ich dich gestört hab.“ Damit ging Josefine wieder rüber, Abendessen vorbereiten.
Eine paar Tage später grübelte Josefine immer noch. Sie schimpfte sich selber eine Närrin, aber ein Gedanke nagte immer noch an ihr: Was, wenn Herbert doch nicht alles allein gemacht hatte? Was, wenn Anneliese ihm doch geholfen hatte? Vielleicht hatte Herbert ihr von dem Rahmen erzählt? Aber warum sollte er das tun? Oder vielleicht war sie es sogar gewesen, die Richard überfallen hatte. Aber war sie an dem Tag überhaupt im Dorf gewesen? Josefine hatte einmal vorsichtig nachgehakt, was ihr ein paar schräge Blicke von den anderen Frauen eingebracht hatte, so dass sie das Thema hatte fallen lassen. Sie zögerte auch, Richard von ihrem Verdacht zu erzählen. Sie war froh, dass er endlich Frieden gefunden hatte. Und wenn sie jemals ihren Verdacht laut aussprach, konnte sie sich die Reaktionen von den anderen Leuten, Freunde oder Bekannte, gut vorstellen. Josefine schauderte. Aber jetzt lief sie gerade mit Lisbeth zum See, Forsythien für einen Osterstrauß holen. Vielleicht könnte sie ja nachher doch noch einmal ganz vorsichtig und unauffällig nachfragen, so mitten im Gespräch mit Lisbeth. „Und du meinst, hier blühen die Forsythien schon?“, fragte sie ihre Gefährtin jetzt.
„Aber ja. Das ist jedes Jahr so“, versicherte Lisbeth. „Bei uns hinter dem Haus ist nur Schatten. Hier sind sie jedes Jahr früher. Wahrscheinlich bekommen die Büsche hier mehr Sonne, was weiß ich.“
„Auf jeden Fall freuen die Kinder sich, wenn sie morgen die bemalten Ostereier an den Strauß hängen können.“ Josefine lächelte bei dem Gedanken und für einen Moment verdrängte sie ihren hässlichen Verdacht.
„Ah, da! Siehst du?“, rief Lisbeth, und zeigte auf die schon leuchtend gelb blühenden Büsche. „Ich wusste doch, dass wir Glück haben und so früh im Jahr schöne blühende Zweige bekommen.“
„Uh, hier ist es aber matschig“ , stieß Josefine aus, als sie etwas näher zum Ufer trat, um an die Äste zu gelangen.
„Wir sind ja auch am Ufer, Josefine.“
„Hier, der Zweig ist schön.“ Josefine hielt ihn für Lisbeth, und diese knipste ihn mit der Gartenschere ab.
„Wir hätten eigentlich auch die Kinder mitnehmen können.“
„Nein, nein“, stieß Lisbeth aus, während sie sich vorbeugte und einen weiteren Ast abschnitt. „Es tut der Mama mal gut, wenn sie ein bisschen auf die Kinder aufpassen muss. Bringt sie auf andere Gedanken. Puh“. Lisbeth wischte sich mit dem Handrücken die Ponyhaare aus der Stirn und widmete sich dem nächsten Zweig. „Und außerdem“, fuhr sie fort, während sie sich wieder vorbeugte, „brauchen die Kinder nicht mitzukommen, was hier passiert“, beendete sie den Satz und stieß Josefine die Schere in den Bauch.
Mit einem Schmerzensschrei sah Josefine ungläubig an sich herunter. Entsetzt blickte sie zu Lisbeth auf. „Lisbeth, du-.“ Josefine verstummte. Ein Blick in Lisbeths Augen sagte ihr, dass dies kein Versehen gewesen war. Sprachlos sah Josefine einen Augenblick ihre Freundin an. Ohne mit der Wimper zu zucken zog Lisbeth die Schere heraus und wollte erneut zustechen, als Josefine sich aus ihrer Erstarrung löste. Sie trat einen Schritt zurück, verlor das Gleichgewicht und fiel halb in den See. Panisch aufschluchzend sah sie, wie Lisbeth mit der Schere in der Hand auf sie zutrat. Rückwärts krabbelnd versuchte Josefine,
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