Ein verhängnisvolles Versprechen
ausgehst.«
Myron schloss die Augen.
»Stimmt das?«
Er sagte nichts.
»Dotte hat gesagt, du gehst mit einer Witwe mit sechs Kindern aus.«
»Zwei Kinder«, sagte Myron.
Mom brach ab und lächelte.
»Was ist?«
»Hab ich dich.«
»Hä?«
»Wenn ich zwei Kinder gesagt hätte, hättest du das Ganze vielleicht einfach abgestritten.« Mom hob den Aha-Finger in die Luft. »Aber ich wusste, wenn ich sechs Kinder sage, dann reagierst du. Also hab ich dich erwischt.«
Myron sah seinen Vater an. Der zuckte die Achseln. »Sie hat in letzter Zeit ziemlich oft Matlock geguckt.«
»Kinder, Myron. Du gehst mit einer Frau aus, die Kinder hat?«
»Mom, ich werde das so nett sagen, wie ich kann: Halt dich da raus.«
»Hör gut zu, du Komiker. Wenn Kinder im Spiel sind, kannst du nicht einfach so leichtsinnig weitermachen wie sonst. Dann musst du dir Gedanken darüber machen, welche Folgen das für sie hat. Verstehst du, was ich meine?«
»Ist dir die Bedeutung der Worte ›halt dich da raus‹ nicht klar?«
»Gut, dann mach halt, was du willst.« Jetzt tat sie, als würde sie aufgeben. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. »Was geht mich das auch an?«
Sie gingen weiter – Myron in der Mitte, Dad rechts, Mom links. Die Formation, die sie auch früher immer eingenommen hatten. Nur dass sie jetzt langsamer gingen. Myron hatte nichts dagegen. Er war gerne bereit, langsamer zu machen, damit sie mithalten konnten.
Sie fuhren zur Wohnung und stellten den Wagen auf dem zugehörigen Parkplatz ab. Mom nahm absichtlich den Umweg am
Swimmingpool entlang, damit sie Myron einer verwirrenden Anzahl an Wohnungsbesitzern vorstellen konnte. Mom sagte immer wieder: »Sie erinnern sich sicher noch an meinen Sohn?«, und auch Myron gab vor, sich an die neuen Nachbarn seiner Eltern zu erinnern. Manche der Frauen, von denen einige schon auf die achtzig zugingen, waren zu gut gebaut. Wie man schon zu Dustin Hoffman in Die Reifeprüfung gesagt hatte: »Plastik.« Auch wenn es damals um etwas anderes gegangen war. Myron hatte nichts gegen Schönheitschirurgie, aber irgendwann war ein Alter erreicht, in dem es ihm einfach zu viel wurde.
Auch in der Wohnung war es zu hell. Man sollte meinen, dass die Menschen im Alter es nicht mehr ganz so hell haben wollten, aber ganz im Gegenteil. Seine Eltern behielten die Schweißer-Sonnenbrillen sogar drinnen noch fünf Minuten auf. Mom fragte, ob er Hunger hätte. Er war klug genug, die Frage zu bejahen. Sie hatte schon eine Sandwich- und Hamburger-Platte – Moms Kochkünste hätten selbst in Guantánamo Bay als unmenschlich gegolten – bei einem Restaurant namens Tonys bestellt, wo das Essen »genau wie früher zu Hause bei Eppes« war.
Sie aßen und unterhielten sich. Mom versuchte immer wieder, Dad die Salatreste aus den Mundwinkeln zu wischen, aber ihre Hand zitterte zu stark. Myron sah seinen Vater an. Moms Parkinson wurde stärker, aber über das Thema sprachen sie mit Myron nicht. Sie wurden alt. Dad hatte einen Herzschrittmacher, Mom hatte Parkinson. Ihre erste Bürgerpfl icht bestand jedoch darin, ihren Sohn von solchen Dingen abzuschirmen.
»Wann musst du zu deinem Meeting?«, fragte Mom.
Myron sah auf die Uhr. »Jetzt.«
Sie verabschiedeten sich wieder mit Umarmungen und Wangenküssen. Als er ging, kam er sich vor, als ließe er sie im Stich, als müssten sie den Feind alleine in Schach halten, während er sich in Sicherheit begab. Alternde Eltern zu haben war Mist, aber – wie Esperanza oft anmerkte, die ihre Eltern jung verloren hatte – es war besser als die Alternative.
Im Fahrstuhl sah Myron auf sein Handy. Aimee hatte ihn immer noch nicht zurückgerufen. Er versuchte noch einmal, sie zu erreichen, war aber nicht überrascht, als sich sofort die Mailbox meldete. Jetzt reicht’s, dachte er. Er würde einfach ihre Eltern anrufen und fragen, was mit ihr los war.
Doch dann hatte er Aimees Stimme wieder im Ohr: »Du hast es versprochen …«
Er wählte Eriks und Claires Nummer. Claire meldete sich. »Hallo?«
»Hey, hier ist Myron.«
»Hi.«
»Was läuft denn so?«
»Nicht viel«, sagte Claire.
»Ich hab Erik heute Morgen getroffen …«, Mann, war wirklich noch der gleiche Tag? »… und er hat mir erzählt, dass Aimee die Zulassung für Duke bekommen hat. Also wollte ich ihr gratulieren.«
»Ja, danke.«
»Ist sie da?«
»Nein, im Moment nicht.«
»Kann ich nachher noch mal anrufen?«
»Ja, klar.«
Myron wechselte die Tonart. »Ist alles in Ordnung?
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