Ein verhängnisvolles Versprechen
machte den Mund auf, schloss ihn dann aber einfach wieder. Das war ziemlich hart, dachte Loren. Aber das Guter-Bulle-Böser-Bulle-Spiel war nicht nur Straftätern vorbehalten. Es konnte auch Zeugen treffen. Loren war kein großer Fan davon, musste aber zugeben, dass es sehr effektiv war.
Loren sah Lance an. Der reagierte auf sein Stichwort. Er räusperte sich kurz. »Wir haben Informationen, die auf eine Verbindung zwischen Aimee und Myron Bolitar hindeuten.«
Claire kniff die Augen zusammen. »Was für Informationen?«
»Gestern Nacht um zwei Uhr hat Aimee Bolitar angerufen. Zuerst zu Hause. Dann auf dem Handy. Wir wissen, dass Mr Bolitar daraufhin seinen Wagen aus einem New Yorker Parkhaus geholt hat.« Lance erläuterte den weiteren Ablauf. Claire wurde blass. Erik ballte die Fäuste.
Als Lance fertig war und die beiden noch zu benommen waren, um Rückfragen zu stellen, beugte Loren sich vor. »Besteht die Möglichkeit, dass Myron für Aimee mehr gewesen ist als ein Freund der Familie?«
»Absolut nicht«, sagte Claire.
Erik schloss die Augen. »Claire …«
»Was?«, fauchte sie. »Du kannst doch unmöglich glauben, dass Myron etwas mit …«
»Sie hat ihn direkt vorher angerufen …« Er zuckte die Achseln. »Warum hätte Aimee ihn anrufen sollen? Warum hat er nichts davon erzählt, als wir uns beim Sport gesehen haben?«
»Ich weiß es nicht, aber allein der Gedanke …«, sie brach ab und schnippte mit den Fingern, »… Moment, außerdem ist Myron mit einer Freundin von mir ausgegangen. Mit Ali Wilder. Sie ist eine erwachsene Frau. Eine bezaubernde Witwe, die selbst zwei Kinder hat. Der Gedanke, dass Myron tatsächlich …«
Erik kniff die Augen zusammen.
Loren sagte: »Mr Biel?«
Er sagte leise: »Aimee ist in letzter Zeit etwas durcheinander gewesen.«
»Wieso?«
Erik hatte die Augen immer noch geschlossen. »Wir haben es beide als normale Teenager-Launen abgetan. Aber sie war in den letzten Monaten ziemlich geheimnistuerisch.«
»Das ist doch vollkommen normal, Erik«, sagte Claire.
»Es hat zugenommen.«
Claire schüttelte den Kopf. »Du glaubst immer noch, sie wäre dein kleines Mädchen. Sonst nichts.«
»Du weißt, dass mehr dahintersteckt, Claire.«
»Nein, Erik, das weiß ich nicht.«
Wieder schloss er die Augen.
»Was ist, Mr Biel?«, fragte Loren.
»Ich habe vor zwei Wochen versucht, in ihren Computer zu kommen.«
»Warum?«
»Weil ich ihre E-Mails lesen wollte.«
Seine Frau musterte ihn mit finsteren Blicken, ohne dass er es bemerkte – oder es war ihm egal. Loren fragte weiter.
»Und? Was ist passiert?«
»Sie hatte ihr Passwort geändert. Ich bin nicht reingekommen.«
»Weil sie ihre Privatsphäre schützen wollte«, sagte Claire. »Findest du das ungewöhnlich? Ich habe als Teenager Tagebuch geführt. Es war abgeschlossen, und ich habe es trotzdem noch versteckt. Na und?«
Erik fuhr fort: »Ich habe unseren Internet-Provider angerufen. Ich zahle die Rechnungen und habe den Master-Account. Also haben sie mir das neue Passwort gegeben. Dann bin ich ins Internet gegangen, um mir ihre E-Mails anzusehen.«
»Und?«
Er zuckte die Achseln. »Sie waren verschwunden. Alle. Sie hatte alle gelöscht.«
»Sie wusste, dass du ihr nachspionierst.« In ihrer Stimme lag eine Mischung aus Wut und Rechtfertigung. »Sie wollte sie nur vor dir verstecken.«
Erik wirbelte zu ihr herum. »Glaubst du das wirklich, Claire?«
»Glaubst du wirklich, dass sie eine Affäre mit Myron hat?«
Erik antwortete nicht.
Claire drehte sich wieder zu Loren und Lance um. »Haben Sie Myron nach den Anrufen gefragt?«
»Noch nicht.«
»Worauf warten wir dann noch?« Claire griff nach ihrer Handtasche. »Fahren wir gleich hin. Er wird das klarstellen.«
»Er ist nicht in Livingston«, sagte Loren. »Kurz nachdem er mit Ihrem Mann Basketball gespielt hat, ist er nach Miami geflogen.«
Claire wollte eine weitere Frage stellen, verkniff sie sich aber. Zum ersten Mal sah Loren einen Anflug von Zweifel in ihrer Miene. Loren entschloss sich, das auszunutzen. Sie stand auf.
»Wir melden uns«, sagte sie.
15
Im Flugzeug dachte Myron an seine alte Liebe Jessica.
Sollte er sich nicht für sie freuen?
Sie war immer heißblütig gewesen, was manchmal ganz schön nerven konnte. Seine Mutter und Esperanza hatten sie nicht gemocht. Sein Vater hatte sich neutral gegeben wie ein Moderator in den Fernsehnachrichten. Win hatte die ganze Sache gelangweilt. In Wins Augen waren Frauen entweder flachlegbar
Weitere Kostenlose Bücher