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Ein verhängnisvolles Versprechen

Ein verhängnisvolles Versprechen

Titel: Ein verhängnisvolles Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Polizei zuständig?«
    Sie nickte.
    »Dann überlassen Sie denen auch den Rest. Schließlich haben wir noch nicht mal einen echten Fall – das Mädchen ist doch volljährig, oder?«
    »Stimmt.«
    »Gut, das hätten wir geklärt. Sie machen eine ordentliche Übergabe und kümmern sich mit aller Kraft um den Doppelmord in East Orange.«
    Dann erzählte Steinberg ihr mehr über den Fall. Sie versuchte, konzentriert zuzuhören. Zweifelsohne handelte es sich um eine
große Sache. Ein Doppelmord. Womöglich begangen von einem berüchtigten Auftragskiller – und er war vielleicht noch in der Gegend. Sie liebte solche Fälle. Und er würde sie voll in Anspruch nehmen, so viel war klar. Außerdem kannte sie die Wahrscheinlichkeit, dass Aimee Biel wirklich eine Ausreißerin war – schließlich hatte sie Geld abgehoben, war also vermutlich nicht entführt worden, und es ging ihr gut – also sollte sie wirklich aufhören, sich unnütze Gedanken über den Fall zu machen.
     
    Angeblich lassen Kummer und Sorgen einen Menschen altern. Bei Claire Biel schien das Gegenteil der Fall zu sein. Ihre Haut spannte sich straff über den Wangenknochen. Sie hatte nicht eine einzige Falte mehr im Gesicht. Sie war blass und spindeldürr.
    Myron musste an eine Begebenheit aus ihrer Vergangenheit denken. Im letzten High-School-Jahr hatten sie im Lesesaal nebeneinandergesessen und sich leise unterhalten. Er hatte sie zum Lachen gebracht. Claire war eigentlich ziemlich still und sprach meist mit gedämpfter Stimme. Wenn man sie aber einmal auf Touren brachte, wie damals, als er sämtliche Lieblingsstellen aus albernen Komödien zum Besten gegeben hatte, fing sie an, Tränen zu lachen. Myron hatte damals nicht lockergelassen. Er liebte ihr Lachen. Er liebte die reine Freude, die sie verströmte, wenn sie sich so gehen ließ.
    Claire starrte ihn an. Gelegentlich dachte man an solche Momente zurück, in denen alles noch in Ordnung gewesen war. Man rekapitulierte und versuchte herauszubekommen, wann und wo das alles seinen Anfang genommen hatte, wie man auf diesen Weg geraten war und ob es einen Zeitpunkt gab, zu dem man zurückkehren konnte, um irgendetwas anders zu machen, so dass man – puff – nicht mehr hier war, sondern an einem anderen, besseren Ort.
    »Erzähl«, sagte Claire.
    Er fing ganz vorne an und erzählte ihr, wie er bei seiner Party
ein paar Worte aus Aimees und Erins Gespräch im Keller aufgeschnappt hatte, er erzählte von dem Versprechen und dem nächtlichen Anruf. Er ließ nichts aus und vergaß auch den Halt an der Tankstelle nicht. Er erzählte sogar, dass Aimee gesagt hatte, es liefe nicht so gut zwischen ihren Eltern.
    Claire stand die ganze Zeit stocksteif da. Sie sagte nichts. Ihre Unterlippe zitterte leicht. Von Zeit zu Zeit schloss sie kurz die Augen. Dabei zuckte sie zusammen, als rechnete sie mit einer Ohrfeige, gegen die sie sich nicht zur Wehr setzen wollte.
    Als er fertig war, schwiegen beide. Claire stellte keine Fragen. Sie stand ihm einfach nur gegenüber und wirkte sehr zerbrechlich. Als Myron einen Schritt auf sie zu trat, merkte er sofort, dass das keine gute Idee war.
    »Du weißt doch, dass ich ihr niemals weh tun würde«, sagte er.
    Sie sagte nichts.
    »Claire?«
    »Weißt du noch, wie wir uns im Little Park hinten am Spielplatz getroffen haben?«
    Myron wartete einen Moment lang. »Da haben wir uns oft getroffen, Claire.«
    »Auf dem Spielplatz. Aimee war drei. Der Eiswagen ist gekommen, und du hast ihr eine Kugel Mandel-Karamell-Eis gekauft.«
    »Und sie konnte es nicht ausstehen.«
    Claire lächelte. »Du erinnerst dich.«
    »Ja.«
    »Erinnerst du dich auch noch, wie ich mich damals verhalten habe?«
    Er überlegte. »Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst.«
    »Aimee kannte ihre Grenzen noch nicht. Sie hat alles ausprobiert. Sie wollte auf die hohe Rutsche. Die Leiter war sehr hoch. Eigentlich war sie noch viel zu klein dafür. Das dachte ich jedenfalls. Sie war mein erstes Kind. Ich hab die ganze Zeit Angst um sie gehabt. Aber ich konnte sie nicht davon abbringen. Also habe ich sie die Leiter hochklettern lassen, bin aber direkt hinter
ihr geblieben. Weißt du noch? Du hast dich damals über mich lustig gemacht.«
    Er nickte.
    »Vor ihrer Geburt hatte ich mir geschworen, nie so eine überfürsorgliche Mutter zu werden. Ich hatte es mir geschworen. Aber als Aimee da die Leiter raufgeklettert ist, bin ich ihr nach und hatte die Hand direkt hinter ihrem Po. Für alle Fälle. Sie hätte ja

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