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Ein verhängnisvolles Versprechen

Ein verhängnisvolles Versprechen

Titel: Ein verhängnisvolles Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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später – das wahrlich letzte Was-wäre-wenn  – versprach er es ihr.

19
    Es gelang Ali Wilder schließlich, so lange nicht mehr an Myrons bevorstehenden Besuch zu denken, dass sie endlich mit ihrem Chefredakteur telefonieren konnte – einem Mann, den sie insgeheim meist Caligula nannte.
    »Und den Absatz begreif ich einfach nicht, Ali.«
    Sie unterdrückte ein Seufzen. »Was ist damit, Craig?«
    Craig war sein Deckname, unter dem er in der Öffentlichkeit auftrat, Ali war aber sicher, dass er in Wirklichkeit Caligula hieß.
    Vor dem 11. September hatte Ali eine feste Stelle bei einem großen Magazin in New York gehabt. Nach Kevins Tod war das einfach nicht mehr drin gewesen. Erin und Jack brauchten sie – und zwar zu Hause. Sie hatte ein Jahr lang nicht gearbeitet und dann als freiberufliche Journalistin wieder angefangen. Sie schrieb vorwiegend für Zeitschriften und Magazine. Am Anfang hatte man ihr jede Menge Jobs angeboten. Sie hatte alle abgelehnt  – aus einem Grund, den sie jetzt nur noch als falschen und sogar etwas lächerlichen Stolz bezeichnen konnte. Sie hatte keine Lust auf diese »Mitleids«-Angebote gehabt. Außerdem glaubte sie, so etwas nicht nötig zu haben. Inzwischen bereute sie das.
    Caligula räusperte sich ausgiebig und las ihr den Absatz vor: »Der nächstgelegene Ort ist Pahrump. Pahrump – das reimt sich auf plump – müssen Sie sich so vorstellen, als hätte ein Geier Las Vegas gefressen und die unverdaulichen Teile wieder ausgespuckt. Kitsch und Krempel als Kunstform. Ein Bordell in Gestalt eines White-Castle-Restaurants – das ist fast schon ein schlechtes Wortspiel. Werbeschilder mit riesigen Cowboys konkurrieren mit Schildern für Feuerwerks-Läden, Spielkasinos, Wohnwagenparks und Beef Jerky. Der einzige Käse, den es hier gibt, sind ›American Singles‹-Scheibletten.«

    Nach einer bedeutungsschwangeren Pause sagte Caligula: »Fangen wir beim letzten Satz an.«
    »Mhm.«
    »Sie behaupten, der einzige Käse, den es in der Stadt gibt, wären ›American Singles‹-Scheibletten.«
    »Ja«, sagte Ali.
    »Sind Sie sicher?«
    »Wieso?«
    »Ich meine, waren Sie im Supermarkt?«
    »Nein.« Ali fing an, auf einem Fingernagel zu kauen. »Das ist keine Tatsachenbehauptung. Ich versuche, ein Gefühl für die Stadt zu vermitteln.«
    »Indem Sie Unwahrheiten schreiben?«
    Ali wusste, wohin das führte. Sie wartete. Caligula enttäuschte sie nicht.
    »Ali, woher wissen Sie, dass es in der Stadt keinen anderen Käse gibt? Haben Sie in den Regalen sämtlicher Supermärkte nachgesehen? Und selbst wenn, haben Sie auch die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass vielleicht jemand in einem Nachbarort einkauft und anderen Käse nach Pahrump mitbringt? Oder vielleicht bestellt sich auch jemand Käse bei einem Versandhaus? Verstehen Sie, was ich Ihnen sagen will?«
    Ali schloss die Augen.
    »Wenn wir drucken, dass es in der Stadt nur ›American Singles‹-Scheibletten gibt, kann es gut sein, dass ich plötzlich den Bürgermeister von Pahrump am Telefon habe, der zu mir sagt: ›Hey, das ist nicht wahr. Wir habe zig Sorten Käse hier. Gouda und Schweizer und Cheddar und Provolone …‹«
    »Ich habe verstanden, was Sie mir sagen wollen, Craig.«
    »… Roquefort und Blauschimmelkäse und Mozzarella …«
    »Craig …?«
    »… und verdammt, was ist mit denen zum Streichen?«
    »Streichen?«
    »Streichkäse natürlich. Das ist auch Käse, oder? Streichkäse.
Selbst in einem Hinterwäldlerkaff muss es Streichkäse geben. Verstehen Sie?«
    »Ja. Mhm.« Mehr Nägelkauen. »Verstehe.«
    »Der Satz muss also raus.« Sie hörte, wie er ihn durchstrich. »Und jetzt kommen wir zu dem Satz davor, über die Wohnwagenparks und das Beef Jerky.«
    Caligula war klein. Ali hasste kleine Redakteure. Früher hatte sie sich mit Kevin oft über kleine Redakteure lustig gemacht. Kevin war immer der erste Leser ihrer Artikel gewesen. Seine Aufgabe hatte allein darin bestanden, jedes noch so unbedeutende Wort, das sie geschrieben hatte, für brillant zu erklären. Ali war, wie die meisten Autoren, ziemlich unsicher. Sie brauchte Lob. Beim Schreiben lähmte sie jede noch so geringfügige Kritik. Kevin hatte das begriffen. Also hatte er geschwärmt. Und wenn sie mit den Redakteuren gekämpft hatte, besonders mit kleinen, kurzsichtigen wie Caligula, hatte Kevin sich immer auf ihre Seite geschlagen.
    Sie fragte sich, ob Myron ihre Texte mögen würde.
    Er hatte ein paar Mal gefragt, ob er nicht ein paar von

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