Ein verruchter Lord
zusammensank.
Da erst gab Jack ihre Arme frei, die er mit einer Hand über ihrem Kopf festgehalten hatte. Drückte ihren Kopf an seine Brust und zog die zweite Hand unter ihren Röcken hervor. Führte die Finger zum Mund, um sie zu schmecken. Und in diesem Augenblick wusste er mit absoluter Sicherheit, dass alles stimmte. Dieser Geschmack war ihm vertraut wie sein eigenes Spiegelbild. Ihre Stimme mochte sich verändert haben, ihr Körper ebenso, doch der einfache salzig-süße Nektar ihres Körpers war unverkennbar und würde für immer mit dieser einen Nacht verbunden sein.
Es war Laurel, nicht Amaryllis, die damals in sein Zimmer kam, sein Gesicht mit zärtlichen Küssen bedeckte, um seine Albträume zu verjagen. Die ihre kühlen Hände über seine nackte Haut gleiten ließ, um die Anspannung und die Schrecken aus seinem Körper zu streicheln. Und die sich ihm selbstlos hingab.
Laurel, sanft und freigiebig, leidenschaftlich und ungezähmt, die sich unter ihm wand. Die seinen Namen rief, während er sich in ihrem süßen, heißen Fleisch verlor. Und ihre blauen Augen waren es, die weinten, als er aus dem Haus geworfen wurde.
Laurel.
Er konnte sie bloß anstarren. Nie hatte er trotz des anschließenden Dramas jene Nacht bereut. Dieser schimmernde Moment, in dem zwei Seelen sich fanden, war für ihn der einzige Grund gewesen, sich vor Jahren nicht vom Dach zu stürzen. Er hatte nie jemandem davon erzählt, nicht einmal Aidan oder Colin. An jenem Abend, als sie ihn mit einer Flasche Whisky dort oben fanden, glaubten sie, ihre Hinweise auf seine Verpflichtungen hätten ihn zum Umdenken bewogen. Sicher exzellente Gründe, um weiterzuleben. Doch nicht so gut wie der winzige Funken Hoffnung, den diese Nacht voller Wärme und Zärtlichkeit in sein Herz gepflanzt hatte.
Wenn jemand ihn so berühren, ihn so umarmen und ihm so vertrauen, sich ihm so uneingeschränkt hingeben konnte …
Nun, musste dann nicht trotz allem etwas in ihm stecken, das es wert war, gerettet zu werden?
O Gott, was habe ich getan?
Er ließ sie los, und sie taumelte ein wenig.
» Du … « Seine Stimme war bloß ein heiseres Flüstern. » Du und ich … «
Laurel schob das Kinn vor. » Ich hätte es wissen müssen, dass du mich vergisst. «
» Niemals. « Jack schaute in ihre blauen Augen. » Ich habe mich bloß nicht … richtig erinnert. «
Sie blinzelte. » An wen hast du dich denn stattdessen erinnert? « Als er schwieg, riss sie weit die Augen auf. » Amy? Du dachtest, es sei Amy gewesen? «
» Bramble, es tut mir leid … « Er streckte die Hand nach ihr aus, aber Laurel rückte von ihm ab. Auch sie schien erst jetzt zu begreifen, warum alles so unglücklich verlaufen war.
» Laurel, du hast Melody fortgegeben … «
» Nein! « Ihre Augen nahmen das Grau von Gewitterwolken an. » Ich habe sie nicht im Stich gelassen. Man hat sie mir vorenthalten. Sie haben mir erzählt, sie sei gestorben. «
» Wer hat das getan? «
» Meine Eltern. Die Hebamme. Dabei habe ich geschworen, sie weinen gehört zu haben, aber sie behaupteten, ich müsse mich irren. Das Baby sei tot zur Welt gekommen. Ich habe ihnen dummerweise geglaubt, obwohl ich es besser hätte wissen müssen. Schließlich war es nicht neu für mich, dass meine Eltern logen und meine Schwester ebenfalls. Wie konnte ich ihnen nur vertrauen? « Sie blickte auf ihr Kleid hinab und strich mit beiden Händen über den Rock. » All die Jahre der Trauer, dabei hat sie die ganze Zeit hier gelebt. «
Jack schüttelte den Kopf. » Nein, leider nicht. Sie wurde vor ein paar Monaten auf der Treppe des Clubs ausgesetzt. Von wem, das wissen wir nicht. Vermutlich von einer Frau, die sie in Pflege hatte. «
Laurel schaute ihn schockiert an. » Wo war sie vorher? «
» Wir haben keine Ahnung. «
Sie presste die Hände auf ihr Herz. » Was, wenn es kein guter Platz war? « Ihre Worte überschlugen sich beinahe. » Was, wenn sie Angst hatte oder geschlagen wurde oder Schlimmeres? Bekam sie genug zu essen? Hatte sie es warm? «
Jack konnte bloß mit den Schultern zucken.
Laurel wandte sich von ihm ab, die Arme fest um den Oberkörper geschlungen. » Ich habe um meine Tochter getrauert – um meine Eltern hingegen werde ich niemals trauern! Niemals! Wie konnten sie das ihrem eigenen Enkelkind antun? «
Jack beobachtete sie und erkannte, dass es Laurel ausschließlich um Melodys Glück ging. Wenn er jetzt vernünftig mit ihr redete …
» Dann wirst du sie also nicht von hier fortholen?
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