Ein verruchter Lord
«
Sie wirbelte zu ihm herum, das Gesicht totenblass. » Ich werde sie so weit wie möglich von hier fortbringen, Jack. Ich will für den Rest meines Lebens weder dich und meine Schwester noch auch nur ein Stück englischen Bodens je wiedersehen. «
» Aber … «
Sie trat einen Schritt vor. » Du hast mich ruiniert und kanntest nicht einmal meinen Namen. Du sperrst mich hier ein und dann … « Sie machte eine wütende Handbewegung in Richtung Wand. » Du hast nicht das Zeug, um ein Vater zu sein. Du bist kein anständiger Mann. «
Ihre Worte trafen ihn zutiefst. Stumm stand er vor ihr. Laurel hatte recht – es gab keine Rechtfertigung für seine Taten. Und die Mauer, die er um sich herum errichtet hatte, ließ sich ebenfalls nicht so einfach niederreißen. Nicht mit normalen Worten zumindest. Zudem schienen sie beide im Moment zu weit voneinander entfernt, um sich verständigen zu können. Deshalb tat er das Einzige, was ihm einfiel, obwohl es das Falscheste von allem war.
Er nahm den Schlüssel aus seiner Tasche und schaute sie an. » Ich kann nicht zulassen, dass du ohne Schutz in die Welt fliehst und Melody aus ihrem Zuhause reißt. « Mit diesen Worten ging er rückwärts durch die Tür, zog sie zu und sperrte ab. Das leise Klicken des Schlosses wurde von ihrem Protestschrei übertönt.
Deprimiert verließ Jack den Dachboden. Er sperrte sie ein und begann gleichzeitig zu begreifen, dass eigentlich er derjenige war, der im Käfig saß.
Lord Aldrich schlurfte auf dem Weg zu seinem Zimmer den langen Gang hinunter. Er freute sich auf einen friedlichen, ruhigen Abend im Club. Zwar vergötterte er seine neue Frau, kein Zweifel, doch von Zeit zu Zeit wollte er einfach allein sein. Aidans Mutter, die ehemalige Countess of Blankenship, war die Liebe seines Lebens gewesen, die jedoch in jungen Jahren von den elterlichen Plänen durchkreuzt wurde. Erst kürzlich hatten sie als altes Paar zueinandergefunden.
Ein Geräusch in seinem Rücken ließ Lord Aldrich auf seinem Weg zu einem beschaulichen Abend mit Portwein innehalten. Er drehte sich um und blinzelte durch seine dicken Brillengläser zum anderen Ende des Flures.
Jemand war die Speichertreppe heruntergekommen. Einer der jungen Burschen, wenn er das schwarze Haar und den geraden Rücken betrachtete. Blankenship? Nein, eher Redgrave, der neue Marquis of Strickland. Aldrich war erfahren und feinfühlig genug, um dem jungen Mann nicht zu seinem Aufstieg in den Hochadel zu gratulieren. Einige Worte des Mitgefühls zum Tod des Onkels fand er passender. Er war ein komischer Kauz, dieser Käpt’n Jack, wie die kleine Melody ihn nannte.
Der alte Mann machte kehrt und schlurfte Richtung Speicher, wobei seine Schuhsohlen auf dem dicken Läufer kaum Geräusche machten. Jack, ohnehin in Gedanken versunken, bemerkte ihn gar nicht, eilte zur Treppe und ging nach unten. Aldrich hatte lediglich bemerkt, dass sich der andere etwas vom Jackett geklopft hatte. An der Tür zum Speicheraufgang blieb er stehen, drückte die Klinke hinunter, öffnete die Tür und steckte den Kopf hindurch.
Das Licht hinter ihm beleuchtete gerade mal die unteren Stufen. Zu sehen war nichts, weshalb Aldrich umso angestrengter lauschte. Nein, kein Ton zu hören. Offenbar war oben bloß ein Dachboden voller Gerümpel, das keiner mehr brauchte. Weiß der Teufel, was Strickland dort wollte.
Als er sich umdrehte, um sich endlich in sein Zimmer und zu seinem Portwein zu begeben, knirschte etwas unter der Sohle. Er bückte sich mühsam, fuhr mit den Fingern über den Teppich und ertastete scharfe kleine Splitter. Er hielt sie dicht vor die Augen und betrachtete sie genau. Zerbrochenes Geschirr. Lord Strickland hatte sich soeben Porzellansplitter vom Anzug gewischt.
Der alte Herr verfügte über ausreichend Lebenserfahrung, um zu wissen, was das bedeutete. Nur aufs Höchste gereizte Frauen warfen mit Geschirr um sich. Überaus interessant. Er hatte fast vergessen, wie aufregend das Leben im Brown’s sein konnte.
In ihrem Gefängnis auf dem Dachboden warf sich Laurel unruhig auf ihrem Lager hin und her. Zum Glück hatte sie in einer Ecke Decken, Kissen und Laken entdeckt, die offenbar noch nicht lange dort lagen. Erst spät kam sie zur Ruhe, doch es wurde kein erholsamer Schlaf. Laurel schrie im Traum auf. Obwohl es eigentlich gar kein Traum, sondern eine Erinnerung war.
An jene Nacht vor vier Jahren.
Von dem Augenblick an, da er sich auf sie rollte, gehörte sie Jack. Damit er sie hielt und küsste
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