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Ein verruchter Lord

Ein verruchter Lord

Titel: Ein verruchter Lord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celeste Bradley
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anstarrte, dabei aber den größten Teil ihres Gesichts mit den Händen verdeckte. Bloß ihre Augen waren zu sehen. Es waren die der bösen Frau aus dem großen, alten Haus.
    Erschrocken wich Melody zurück. Mit dieser Lady wollte sie nicht sprechen, sondern mit der anderen, die sie nur ganz kurz gesehen hatte und die ihretwegen in den Club gekommen zu sein schien. Erst als die Frau die Hände sinken ließ, erkannte Melody, dass es wirklich die andere war. Sie hatte zwar dieselben Augen und dasselbe Haar wie die Böse, doch ihr Gesicht war hübsch und nett, nicht hübsch und gemein.
    Sie sah aus wie die Königin in ihrem Schachspiel.
    Trotzdem beschloss Melody, ihre Kiste lieber nicht zu verlassen. Auch nicht, als die Frau die Hände nach ihr ausstreckte und richtig traurig aussah, weil sie sie nicht nahm. Weil traurige Leute ihr immer leidtaten, fragte sie mitleidsvoll: » Weinst du gleich? «
    Die Königin blinzelte und schüttelte den Kopf. » Nein. Nein, ich weine nicht. « Ihre Stimme klang ein bisschen kratzig wie die von Billywick, wenn er erkältet war.
    » Das ist gut. « Melody schlang die Arme um ihren Körper und musterte die Fremde. Irgendwie verursachte sie bei ihr ein komisches Gefühl. Und sie musste sie immerzu anschauen.
    Der Königin schien es nicht anders zu gehen, denn auch sie konnte ihre Augen nicht von Melody wenden. Die fand das gut. Maddie hatte ihr schließlich beigebracht, sie dürfe einen Menschen nicht grundlos anstarren – das sei unhöflich. Aber wenn die Frau das Gleiche tat, war es ja wohl in Ordnung. Und so starrte Melody die Königin an – und die Königin starrte zurück.

Neuntes Kapitel
    Als Madeleine mit Melodys Habseligkeiten zurückkehrte und alles auf dem großen Spieltisch ausgebreitet hatte, betrachteten sie gemeinsam die Sachen, die das Kind entweder getragen oder mit sich geführt hatte, als Aidan es auf der Treppe fand.
    Ein kleiner, verschlissener, an drei Stellen geflickter Tornister. Zwei Musselinkleidchen, die ursprünglich durchaus passabel gewesen sein mochten, dazu ein nicht mehr ganz weißes Kleiderschürzchen. Winzige, oft gestopfte Strümpfe. Ein Paar abgetragene Stiefel mit zerrissenen Schnürsenkeln.
    » Die Mutter hat kein Geld mehr geschickt « , zitierte Aidan leise. Der Zettel mit der entsprechenden Notiz selbst lag neben dem Tornister, die mit Bleistift in eckiger Handschrift verfasste Nachricht steckte voller Rechtschreibfehler.
    Pru, die diese Gegenstände noch nie gesehen hatte, machte große Augen. » Wie es aussieht, war schon lange kein Geld mehr geflossen « , meinte sie und berührte die Ferse eines Strumpfes. » Da gibt es mehr gestopfte Stellen als heilen Stoff. So sahen auch Evans Strümpfe aus, als das Geld nicht mehr für neue reichte. Ich habe sie gestopft, bis sie mir buchstäblich in den Händen auseinanderfielen. «
    Colin fuhr ihr zärtlich mit der Hand über den Rücken. » Diese Zeiten sind vorbei, für Evan wie für Melody. «
    » Die Sachen sind so winzig. « Madeleine schüttelte langsam den Kopf. » Ist sie in den letzten Monaten wirklich so sehr gewachsen? «
    » Diese Pflegemutter muss vor Verzweiflung außer sich gewesen sein. « Prus Stimme war voller Mitleid. » Sie muss Melody von ganzem Herzen geliebt haben. «
    Madeleine hob das Kinn. » Woher willst du das wissen? «
    Pru fuhr mit der Fingerspitze über eine einfache Blumenstickerei auf der Schürze. » Melody hat doch gesagt, Tante Pruitt sei ziemlich alt gewesen und konnte keine Treppen mehr steigen. Aber sie hat sich die Mühe gemacht, Melody ihre Lieblingsblumen auf ein altes Kleidungsstück zu sticken. Damit es weniger schäbig aussah. « Pru schaute zu Madeleine hinüber. » Akzeptier es, Maddie. Du warst nicht die Erste, die sie geliebt hat. «
    Madeleine zuckte die Schultern. » Na gut. Vielleicht war Mrs. Pruitt eine nette alte Dame. Was allerdings nicht bedeutet, dass sie Melody zurücknehmen würde. «
    Aidan strich seiner Frau eine Haarsträhne aus der Stirn, eine für ihn ungewöhnlich offene Zurschaustellung seiner Gefühle. » Ich für meinen Teil bin froh, dass Melody geliebt wurde, und würde mich gerne bei der Frau bedanken. Falls sie sich wirklich gut um Melody gekümmert hat. «
    Colin stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch und starrte auf die Gegenstände, als wolle er sie zum Sprechen bringen. » Ist an den Sachen hier irgendetwas Besonderes? Irgendetwas Ungewöhnliches? «
    Seine Frau schüttelte den Kopf. » Sie sind so gewöhnlich wie

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