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Ein verruchter Lord

Ein verruchter Lord

Titel: Ein verruchter Lord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celeste Bradley
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Melody wiederzufinden, doch es war der Mut der Verzweiflung gewesen. Und jetzt lag sie neben ihr.
    Melody bewegte sich und steckte einen Zipfel der Lumpenpuppe in den Mund. Als Laurel ihn sanft herauszog, schob sie die Unterlippe vor und begann erneut an dem Tuch zu nuckeln.
    » Viel Glück bei deinen Versuchen, es ihr abzugewöhnen « , erklang es leise irgendwo im Raum.
    Laurel hob den Kopf und sah als Erstes ein neues Möbelstück. Einen großen Ohrensessel, der am Fenster stand. Von der Person, die darin saß, waren nur lange Beine in dunklen Hosen und ein Arm zu sehen, der mit baumelnder Hand auf der Lehne ruhte. Jacks Hand. Es war das erste Mal, dass sie ihn entspannt erlebte. Zumindest seit jener unvergesslichen Nacht.
    Bilder erschienen vor ihrem inneren Auge, verwirrend frisch wie eh und je. Einige Erinnerungen brannten zu heiß, als dass sie jemals verblassen konnten: Jack, verloren in der Dunkelheit, wie er stoßweise redete in seinem Albtraum, der gar keiner war, sondern seine eigene qualvolle Realität wiedergab. Jack, sanft und freigiebig, wie er seine Hand nach ihr ausstreckte, wie er mit ihrem Körper Sachen machte … Verruchte, herrliche Dinge, die ihre unschuldige Vorstellungskraft weit überstiegen. Jack auf ihr, in ihr, sanft stoßend, nackt und vor Schweiß glänzend – Jack, der sich bemühte, seine Leidenschaft zu zügeln, um ihr nicht wehzutun. Das würde er auch jetzt nicht wollen.
    Niemals.
    Ihre Gedanken kehrten in die Gegenwart zurück. Was wollte er hier? Sie beide im Schlaf beobachten? Eher nicht, überlegte sie, denn der Sessel stand dem Fenster zugewandt.
    Sie setzte sich auf. » Warum bist du gekommen? « , flüsterte sie. » Traust du mir etwa nicht einmal zu, eine einzige Nacht auf sie aufzupassen? «
    Statt einer Antwort erhob er sich und kam zu ihr herüber. Schützend zog sie die Decke um ihren Oberkörper. Obwohl es nichts gab, was er von ihr noch nicht gesehen hatte, machte es sie doch weniger verletzlich. Dann erkannte sie den Ausdruck von Leid auf seinen Zügen. So abgrundtief, dass es ihr das Herz zerriss. » Was ist los? « , flüsterte sie und vergaß ihr Misstrauen.
    » Ich … « Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. » Ich kann nicht … ich traue mich nicht einzuschlafen. «
    Seine Albträume. Die Träume, die eigentlich Erinnerungen waren. Instinktiv hob sie ihre Hand und streckte sie ihm entgegen. Was tat sie da?
    Er verdient es nicht, diese quälenden Bilder allein durchleiden zu müssen.
    Sein Blick fiel auf ihre Hand, konnte nicht glauben, dass sie ihm dargeboten wurde. Um ihn zu ermutigen, öffnete sie die Hand, winkte ihm zu. Forderte ihn auf, näher zu kommen.
    Ich will nicht, dass er näher kommt.
    Ich ertrage es nicht, ihn so schrecklich einsam zu sehen.
    Er machte einen vorsichtigen Schritt und hielt sofort inne, als eine Bodendiele unter seinem Gewicht knarrte. Wie ein argwöhnisches wildes Tier kam er ihr vor, und lockend bot sie ihm weiterhin ihre Hand. Was vergab sie sich schon damit, wenn sie ihn tröstete und seine Verzweiflung teilte. Immerhin war sie ihm Dank schuldig.
    Weil er Melody erlaubte, heute Nacht bei ihr zu sein. Weil er sich um sie gekümmert und nach ihrer Mutter gesucht hatte. Zwar schmerzte es noch immer, dass er sie damals mit Amaryllis verwechselte, aber die Enttäuschung schwächte sich mehr und mehr ab.
    Jack schaute auf diese schlanke weiße Hand, die in der mondbeschienenen Kammer fast geisterhaft glänzte. Sie erschien ihm wie ein Rettungsanker. Wie seine letzte und beste Hoffnung. Seine Hand bewegte sich auf sie zu, überbrückte die räumliche Distanz ebenso wie die zeitliche – die vielen Jahre der Leere und der Verzweiflung, der tiefen Finsternis und des permanenten Grauens.
    Dann schlossen sich ihre Finger zärtlich um seine, warme und kalte Haut berührten einander, erst weich und tastend, liebevoll und tröstlich. Bis sie ihn zu sich zog und neben Melodys schlafendem Körper auf die Matratze klopfte. Wie ein Schlafwandler ließ er sich dort nieder, legte seinen Kopf neben den des Kindes auf das Kissen.
    Laurel sah ihn ruhig an und steckte sich eine Strähne ihres dunklen Haares hinters Ohr. » Du musst ja nicht schlafen « , sagte sie sanft. » Aber vielleicht kannst du ein wenig ruhen. «
    Mit diesen Worten kuschelte sie sich von der anderen Seite an ihre Tochter und zog die Decken über sich, während Jack nachdenklich in die Dunkelheit starrte.
    Für ihn war der Speicher längst zu einer geheimen kleinen Welt

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