Ein Versprechen aus Afrika
stürmten auf die Bühne. Man umringte John Schmidt, drückte ihm die Hand und gratulierte ihm. Der Held des Tages wechselte mit allen ein paar Worte, während Karl Zeller, der etwas abseits stand, gleichsam über den Wolken schwebte. Er hatte die Idee gehabt, John Schmidt einzuladen, und das Ansehen seines Gastes würde unweigerlich auf ihn ausstrahlen.
Für die »Vereinigten kanadischen Züchter« war der Abend mehr als ein Erfolg, er war ein Triumph. Von den hundertfünfzig anwesenden Personen kauften etwa hundert sofort ein oder mehrere kleine Schweine. Und am nächsten Tag kehrten weitere dreißig zurück, um weitere Schweine zu kaufen. Der Grund, weshalb sie gestern nicht gleich zugegriffen hatten, lag nicht darin, dass sie ihren Entschluss noch einmal hätten überdenken wollen, sie hatten einfach ihr Scheckheft vergessen.
Das war im Übrigen erst der Anfang. In der deutschen Gemeinde von Toronto verbreitete sich die Neuigkeit wie ein Lauffeuer. In wenigen Wochen konnte die Gesellschaft tausend Aktionäre registrieren und es gingen weiterhin Schecks ein. Einige begnügten sich mit einem Scheck in Höhe von hundert Dollar, dem Preis für eine Aktie und einem Schweinchen, aber andere, nicht unbedingt die Reichsten, setzten ihr ganzes Vermögen ein. Schließlich wurden mehr als fünfzigtausend Dollar, wenn nicht gar noch mehr, in Aktien verbucht.
Viele wurden bei diesem Geschäft nicht nur von dem Verlangen nach Gewinn getrieben, sondern sahen darin auch eine Art willkommene Abwechslung, ein Abenteuer gewissermaßen. Und das hatte John Schmidt von Anfang an erkannt. Die neuen Aktionäre waren sowieso alle normale Bürger, Fabrikarbeiter oder Ladenbesitzer. Von der Zucht verstanden sie nichts und das Schwein war für sie nicht mehr als eine Zutat zum Sauerkraut. Ein eigenes Schwein zu besitzen, ein lebendes, was für ein Erlebnis! Und dann waren da die Wochenenden, die die Erfindung, ja eigentlich der Geniestreich von John Schmidt waren. Er hatte sich als brillanter Organisator bewiesen.
In Hogeville ließ er auf seinem Grundstück, zwanzig Kilometer von Toronto entfernt, nicht nur eine vorbildliche Farm für die Aufzucht von Schweinen einrichten, sondern auch einen ganzen Freizeitpark mit Bar, Restaurant, Tanzlokal und einem Hotel mit Schwimmbecken. Für die Bewohner der Industrievororte von Toronto wurde dieser Ort von heute auf morgen zu einem begehrten Ausflugsziel an den Wochenenden zur Zerstreuung und Flucht aus dem Alltag. Das war die Gelegenheit, deutsche Einwanderer zu treffen und vor allem die Freuden der Zucht zu genießen, ohne etwas davon verstehen zu müssen und ohne mit den damit verbundenen materiellen Problemen belästigt zu werden.
John Schmidt regierte über diese kleine Welt in Hogeville als perfekter Hausherr. Er zeigte allen Wochenendbesuchern höchstpersönlich ihr Schwein — ihr eigenes Schwein, das man am Geburtsdatum und an dem Vornamen erkannte, den die Aktionäre ihm gegeben hatten. In einer speziell dafür errichteten Scheune fand jeden Sonntag eine lange Prozession statt. Auf der einen Seite marschierten die Besitzer und auf der anderen die kleinen Schweine mit den metallenen Identitätsschildern um den Hals. Nach einem kurzen Gespräch, bei dem John Schmidt über die Gesundheit des jeweiligen Schweins informierte, zog jeder wieder höchst zufrieden seines Weges.
Dies war also das bedeutende Werk, das John Schmidt auf die Beine gestellt hatte. Bald besaß in der deutschen Gemeinde jeder, oder fast jeder, sein eigenes Schwein und war mindestens schon einmal in Hogeville gewesen. Die Vertragsbedingungen wurden peinlichst genau beachtet.
Nach sechs Monaten schlug Schmidt dem jeweiligen Eigentümer tatsächlich vor, das Schwein für vierzig Prozent mehr, als der Kaufpreis ausgemacht hatte, weiterzuverkaufen. Doch war niemand daran interessiert. Man wollte vielmehr diese originelle, so rentable und unterhaltsame Investition behalten. Nach einem Jahr waren die »Vereinigten kanadischen Züchter« mit zwanzigtausend Aktien, die zwanzigtausend Schweinen entsprachen und zwei Millionen kanadischen Dollar eine der dynamischsten Gesellschaften Torontos.
Alle waren begeistert, angefangen bei Karl Zeller. Der kleine Mann hätte nie gedacht, dass seine undankbare Aufgabe als Vorstand der deutschen Gemeinde ihm eines Tages etwas einbringen würde. Und doch war es so. Er bezog ein regelmäßiges Gehalt und Schmidt — entsprechend den Vertragsbedingungen — kümmerte sich um
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