Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
Weihnachtsplätzchen, die meine Mutter jedes Jahr backt, und daran, wie wir immer ein Lebkuchenhaus gebaut haben, was bei uns Tradition hatte und das der Grund dafür war, dass Jonah, Noah und ich uns alle Jahre wieder in die Haare gerieten, weil sie immer schon die perfekten kleinen Zuckerfensterchen und -türen und -teile gegessen hatten, bevor wir sie überhaupt einsetzen konnten. Und dann mussten Mum und ich immer selbst gemachten Zuckerguss anrühren und Ersatzbauteile machen, wodurch das Ganze irgendwie noch heimeliger wurde. Und dann denke ich an Weihnachten und seinen eigentlichen Sinn: Familie, Liebe, Träume und Zauber – und das Wichtigste von allem: wieder Kind zu sein.
Mein Blick wandert zurück zu dem Karton vor mir, und auf einmal fällt mir wieder ein, wie ich mich damals vor vielen Monaten, als ich ihn entdeckte, wunderte, wie man solch unfassbar schöne und nostalgische Sachen einfach vergessen konnte; aber man hatte sie vergessen, und ich – muss ich zu meiner Schande gestehen – genauso.
Vorsichtig öffne ich die Schatzkiste, und ich muss husten und halte mir den Mund zu, als mir eine Staubwolke in die Nase steigt, und dann schnappe ich ungläubig nach Luft, als ich Original-Pifco-Christbaumketten aus den Fünfzigern herausziehe. Die Schachtel, in der sie liegen, ist knallrot und blau, und darauf zu sehen sind ein kleiner Junge und ein kleines Mädchen, die staunend die hübsche Lichterkette über ihren Köpfen bewundern, die aussieht wie aufgereihte chinesische Lampions. Ich lege sie beiseite und schaue wieder in den Karton. Er ist vollgestopft mit einem riesengroßen wirren Knäuel verhedderter Lichterketten, manche davon eindeutig aus den achtziger Jahren, mit kitschigen Cinderella-Kutschen über bunten Birnchen. Die lasse ich links liegen und ziehe stattdessen eine lange Kette mit Birnen inKerzenform heraus. Und es sind auch jede Menge bezaubernder kleiner bunter Lichterketten dabei. Manche davon haben, genau wie diese hier, unübersehbar als Dekoration im Laden gedient; andere sind noch originalverpackt und offenkundig überschüssige Ware aus dem Lager.
In einer der anderen Kisten entdecke ich eine ganze Schachtel mit Batqers-Mini-Harlekin-Knallbonbons. Ich ziehe einen weiteren Karton heraus, und darin findet sich ein Set hölzerner Rentiere sowie mehrere Schachteln mit handgeschnitzten Spielzeugsoldaten und Christbaumschmuck mit weihnachtlichen Szenen. In einer legt ein kleines Mädchen gerade ein Weihnachtsgeschenk unter einen winzigen Christbaum, in einer anderen bekommt ein Kind ein Geschenk von seinen Eltern. Es gibt Lampions und Bonbonnieren, Hunderte Christbaumkugeln, die noch in den Originalschachteln stecken, auf denen, als ich sie umdrehe, zu lesen steht, dass sie in dem kleinen ostdeutschen Örtchen Lauscha gefertigt wurden und auf das Jahr 1937 datiert sind. Ich finde Ornamente in Form von Stiefeln und kleine Weihnachtsmannfiguren mit drahtigem Wollbart. Und wie ich mir staunend diese Schätze anschaue, komme ich plötzlich auf des Rätsels Lösung. Ich muss mich nur noch entscheiden, wann ich es tue. Und wie.
Denn diese Aufgabe ist einfach zu groß für mich allein.
Dreiundzwanzigstes Kapitel
E twas später an diesem Vormittag hopse ich aus dem Laden in die frostig-frische Luft, warm eingemummelt in einen göttlichen Sechziger-Jahre-Mantel mit Hahnentrittmuster und Taillengürtel, den ich heute Morgen aus dem Schrank gezogen habe. Langsam habe ich meinen alten heiß geliebten Dufflecoat satt. Er mag zwar herrlich warm und sehr praktisch sein, aber mein neuer Mantel ist ebenfalls überraschend kuschelig, aber darüber hinaus fühle ich mich darin so schick, dass ich nach Anlässen suche, das Haus zu verlassen, um ihn spazieren zu führen. Seit über zwei Jahren hängt er jetzt schon im Schrank , und ich kann es einfach nicht fassen, dass ich ihn nie getragen habe. Und das Tollste ist, ich kann darunter einfach eine schlichte schwarze Hose und einen Pulli tragen und bin trotzdem gut angezogen. Wobei ich gestehen muss, dass ich heute Morgen den figurbetonten, blassrosa Angorapullover angezogen habe, weil der so schön warm und flauschig ist. Und statt der alten schwarzen Hose trage ich eine süße, siebenachtellange Zigarettenhose. Ich habe Lilys Rat befolgt und mir die Haare wieder hochgesteckt, damit man mein Gesicht sieht. Sie hat tatsächlich recht, es steht mir nicht schlecht. Ich war sogar so mutig, mir die Lippen in einem dunklen winterlichen Rotton zu schminken.
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