Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
Sterbenswörtchen davon verraten, aber das alles hat sie offensichtlich vollkommen vergessen. Aber eigentlich nur zu verständlich. Carly führt ein derart turbulentes Leben, dass sie vermutlich einfach keine Speicherkapazität im Hirn mehr hat, sich zu merken, was ich ihr erzähle. Entweder sie trifft sich mal wieder mit einem heißen Kerl oder sie geht zu einer tollen Party oder sie ist zur Eröffnung einer coolen neuen Bar eingeladen. Ihr Leben und meins könnten unterschiedlicher nicht sein.
Ich schaue zu ihr auf, während sie die welligen braunen Haare von den Schultern schüttelt. Wobei, wenn ich »braun« sage, dann hat das nichts mit dem Braun meiner Haare zu tun. Ihre Haare sind von feinen Strähnen in Gold, Kupfer und Kastanienbraun durchzogen, und sie schimmern und glänzen wie eine Krone. Auf der Nase hat sie kecke süße kleine Sommersprossen, und ihre Wimpern sind lang und rahmen ihre blassgrünen Augen so perfekt, dass es immer aussieht, als müsse sie selbst darüber staunen, wie hübsch sie doch ist.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich sie an meinem ersten Tag hier gesehen habe. Ich kam aus dem Warenlager und wollte gerade Mittagspause machen, da ging sie an mir vorbei, gefolgt von einem Rattenschwanz sie ergeben bewundernder Kollegen. Sie erzählte gerade eine urkomische Anekdote über ein Rendezvous, über das sich alle – selbst die griesgrämige Elaineaus der Designerabteilung – schlapplachten. Sie wirkte so selbstbewusst und entspannt im Kreis ihrer Kollegen, dass ich richtig eingeschüchtert war, weshalb ich es auch nicht wagte mich vorzustellen. Aber am nächsten Tag tauchte sie unvermutet bei mir im Warenlager auf und hatte einen Kaffee für mich dabei.
»Darf ich reinkommen?«, fragte sie grinsend und reichte mir die Tasse. »Ich dachte, du könntest sicher einen gebrauchen. Ich habe gehört, du fängst jeden Tag um sieben Uhr morgens an. Wie machst du das bloß? Ich schaffe es ja kaum, mich um neun hierherzuschleppen! Ach so, ich bin übrigens Carly. Und du heißt Sarah, stimmt’s?«
Ich nahm den Kaffee und klappte den Mund auf, um sie zu korrigieren, war aber zu schüchtern, um ihr zu erklären, dass die Kollegen noch immer nicht wussten, wie ich wirklich hieß, und ich wollte sie auch nicht unbedingt mit der Nase darauf stoßen, dass ich mir einen fremden Job unter den Nagel gerissen hatte. Das war einfach zu peinlich. Stattdessen fragte ich sie, wie es kam, dass sie ausgerechnet bei Hardy’s arbeitete. Eine halbe Stunde saßen wir da, und sie erzählte mir, wie sie ein Jahr lang in Sydney gelebt und gearbeitet hatte, von ihrer schnuckeligen kleinen Wohnung in Clapham, wo sie mit ihrer besten Freundin von der Uni wohnte, und dass sie seit Neustem wieder Single war. Ich erfuhr alles über gute Dates und schlechte Dates, gemütliche Mädelsabende zuhause und wilde Nächte auf der Piste. Und ich hörte geduldig zu, vollkommen fasziniert von ihrem bunten, aufregenden Leben, das so ganz anders schien als mein eigenes.
Und dann fragte sie mich nach Hardy’s, und ich teilte nur zu gerne mein umfangreiches Wissen mit ihr. Sie war so dankbar, dass sie anbot, mich nach der Arbeit auf einen Drink einzuladen. Beflügelt von dem Gedanken, auf der Arbeit meine erste neue Freundin gefunden zu haben, rief ich Delilah an und fragte sie,ob es ihr was ausmachen würde, die Kinder selbst aus dem Hort abzuholen. Und dann lief ich den ganzen restlichen Nachmittag durch die Stadt und shoppte für meine Verabredung mit Carly am Abend.
Wir trafen uns, als sie um achtzehn Uhr Feierabend machte, und gingen auf ein paar Cocktails in eine coole Hotelbar in Soho. Das war der mit Abstand schönste Abend seit Langem. Okay, es war auch der einzige Abend seit Langem, an dem ich etwas unternommen hatte. Carly und ich waren beschwipst und quasselten über üble Exfreunde und guten Sex, wie Freundinnen das nun mal so machen. Wobei sie die meiste Zeit redete, um ganz ehrlich zu sein, aber mir war das nur recht. Als ich an diesem Abend nach Hause ging, fühlte ich mich jung und glücklich und so, als hätte mich zum ersten Mal seit Ewigkeiten wieder jemand gesehen. Was machte es da schon, dass sie nicht wusste, wie ich richtig heiße?
Seitdem verbringen wir auf der Arbeit viel Zeit mtieinander. Carly hängt ständig bei mir rum, und gelegentlich gehen wir zusammen aus; meistens montags, weil sie sonst zu beschäftigt ist. Aber wir lachen uns immer schlapp, wenn sie mir von ihren jüngsten
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