Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
Verabredungen erzählt, oder wenn sie mir mal wieder berichtet, welche Klamotten sie gekauft hat oder wie sie mit ihrer besten Freundin um die Häuser gezogen ist. Ich höre ihr sehr gerne zu. Ihre Geschichten geben mir einen kleinen Einblick in ein Leben, wie ich es gerne führen würde.
Jetzt dreht sie sich um, zwinkert mir zu und bedeutet mir mit einer Geste, dass sie gerne eine Tasse Tee hätte, und just in dem Moment kommt Sharon auch schon zur Tür herein. Schnell husche ich zu der kleinen Küchenzeile, wo ich eben schon eine Kanne Tee aufgesetzt habe. Eigentlich bin ich ganz froh, hier in meinem Eckchen verschwinden zu können, denn vor dem großen Augenblick möchte ich keinerlei Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Ich stelle mir vor, wie Sharon merkt, dass ich nicht unter den anderen Angestellten bin, und darauf wartet, dass ich dazukomme. Oder sie fragt die anderen, wo ich bin, und Carly sagt es ihr dann. Und dann trete ich in die jubelnde, klatschende Menge, während Sharon meine Beförderung verkündet. Vielleicht heben Carly und ihre Kolleginnen aus der Einkaufsberatung mich sogar auf ihre Schultern, wie Fans bei einem Rockkonzert.
Bei dem Gedanken muss ich grinsen, während ich die Teekanne auffülle und höre, wie Sharon weitere Punkte der Tagesordnung vorträgt. Gerade habe ich Carly eine Tasse Tee eingegossen, da wird Sharons dünne, spitze Stimme lauter, und sie klatscht in die Hände. Rasch rühre ich mit dem Teebeutel ein wenig in der Tasse herum, denn es ist klar, dass sie jetzt die große Neuigkeit verkünden wird.
»Und nun«, höre ich sie sagen, »möchte ich, dass ihr euch alle meinen Glückwünschen für eine Mitarbeiterin anschließt, die endlich ihre längst überfällige Beförderung bekommt …«
Fest umklammere ich Carlys Teetasse, halb aus Angst, halb vor Aufregung. Ich kann mir genau vorstellen, wie Sharons Blick durch den Raum wandert wie ein Suchscheinwerfer und nach mir Ausschau hält.
»Diese junge Dame arbeitet unermüdlich und stellt damit tagtäglich, oft unter schwierigsten Bedingungen, ihr Engagement für Hardy’s unter Beweis, und in den vergangenen Monaten hat sie mich mit ihrer Arbeitsmoral, ihrer Fähigkeit, ihre ganze Abteilung neu zu strukturieren, und ihrer Zukunftsvision für dieses Unternehmen immer wieder von Neuem beeindruckt …«
Ich spüre, wie mir die Röte in die Wangen steigt. All die harte Arbeit zahlt sich endlich aus.
»Sie ist ein echter Gewinn für dieses Unternehmen«, fährt Sharon fort, »weshalb ihr sie sicher alle mit mir zusammen zu ihrerBeförderung beglückwünschen werdet. Also, wo ist unsere neue stellvertretende Verkaufsleiterin? Noch sehe ich sie nicht!«
O Gott, denke ich. Jetzt ist es so weit. Das ist mein Auftritt.
Ich spähe um die Ecke und sehe, wie Sharon im Meer der Angestellten jemanden sucht. Ich schiebe mich zwischen meine Kollegen, und just in dem Augenblick sagt sie: »Ah, da ist sie ja! Nur nicht so schüchtern, tritt ruhig vor!« Errötend mache ich einen weiteren Schritt nach vorne, und dann trompetet Sharon begeistert: »Ich bitte um einen kräftigen Applaus für Carly.«
Viertes Kapitel
I ch bleibe wie angewurzelt stehen. Das disharmonische Klatschen der Kollegen hallt durch den Raum, und mit eingezogenem Kopf verschwinde ich langsam und unauffällig in meine kleine Küche, lehne den Kopf gegen die kühle geflieste Wand und schließe die Augen. Am liebsten möchte ich heulen vor Wut und Enttäuschung. Wie konnte ich das alles bloß so missverstehen?
Als ich mich schließlich wieder einigermaßen gesammelt habe, tappe ich zurück zu den anderen, und sofort sehe ich Carly, die inmitten der Kollegen Hof hält. Ich will ihr gratulieren, ich will mich für sie freuen, und doch würde ich am liebsten mit den Fäusten auf den Boden trommeln wie Delilahs Tochter Lola, wenn sie einen ihrer Tobsuchtsanfälle bekommt. Aber natürlich reiße ich mich zusammen. Ich warte, bis die anderen Leute weg sind, dann atme ich tief durch, setze ein strahlendes Lächeln auf und gehe zu ihr.
»Herzlichen Glückwunsch, Carly. Das hast du dir redlich verdient«, sage ich herzlich, doch meine Worte klingen hohl; wie das Echo all jener Glückwünsche, die sie bereits gehört hat. Ich frage mich, ob sie meine Enttäuschung verstehen wird, wenn ihr wieder einfällt, dass ich eigentlich erwartet hatte, selbst befördert zu werden. Doch daran scheint sie keinen Gedanken zu verschwenden.
Als alle weg sind, sinke ich matt gegen die Regale. Dann
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