Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
wirken nicht mehr wie dickflüssige Schokoladenpfützen, sondern funkeln wie leuchtende Tigeraugen.
Erschreckt zucke ich zusammen, als eine Bestellung aus dem uralten, lauten Drucker im Warenlager kommt. Ich werfe einen Blick auf den Zettel. Ein Kopfschmuck mit Pfauenfedern. Schnurstracks marschiere ich in Reihe neun, klettere die Leiter hinauf und recke mich nach einem Regal, in dem ich das Gesuchte rasch finde. Wir haben noch drei Stück auf Lager. So schnell brauchen wir die nicht nachzubestellen. Es gibt nur eine einzige Kundin, die diese ausgefallenen Fascinators bei uns kauft: Mrs. Fawsley.Seit zehn Jahren kauft sie jeden Dezember einen, wie den Unterlagen des Warenlagers zu entnehmen ist. Ich frage mich, was sie mit all den vielen Exemplaren anstellt. Womöglich will sie den Pfauenschwanz wieder zusammensetzen.
Ich muss grinsen und setze mir eins der Teile auf den Kopf. Dann trete ich vor den Spiegel und lache laut. Zusammen mit dem auffälligen Glitzertop sehe ich in dem Kopfputz aus, als wolle ich gleich in den Folies-Bergère auf die Bühne gehen. Ich schwinge ein Bein in die Luft wie ein Revuegirl – na ja, zumindest versuche ich es – und höre dann seufzend, wie der Drucker laut kreischend eine weitere Bestellung ausspuckt.
Zwei Bestellungen in gerade mal fünf Minuten? Und dann stößt das Gerät einen ächzenden Protestlaut aus und gibt mittendrin den Geist auf. Verdammtes Ding, denke ich, und haue einmal kräftig drauf. Wie alles andere in diesem Laden pfeift auch der Bestelldrucker auf dem letzten Loch. Ich versetze ihm noch einen herzhaften Klaps, aber eigentlich brauche ich mir den Bestellschein gar nicht anzusehen. Ich schaue auf die Uhr. Meinen Berechnungen zufolge kann eine Bestellung um zehn Uhr fünfzehn am ersten Donnerstag des Monats nur eins bedeuten: Iris Jackson und ihre Lavendelseife. Ich werfe einen Blick auf den Ausdruck und nicke zufrieden, während ich in den betreffenden Gang gehe und ein Stück von Iris’ ganz besonderer Lieblingsseife heraushole.
Wie ich so dahocke, um die Bestellung aus dem Regal zu kramen, denke ich über Iris Jackson nach. Hardy’s hat diese Seife seit Jahren auf Lager, und ich glaube sogar, wir sind der einzige Laden, der sie noch im Sortiment führt. Sie hat mir erzählt, dass sie in Somerset handgemacht wird von einigen Damen eines Frauenvereins, die nach dem Krieg ein kleines Geschäft aufzogen und Toilettenartikel herstellten und vertrieben. Als ihre Männer aus dem Krieg zurückkamen und jene Jobs wieder für sich beanspruchten, welche die Frauen in ihrer Abwesenheit übernommen hatten, mussten sie schließlich irgendwohin mit ihrem Unternehmergeist. Iris ist wohl in diesem Dorf aufgewachsen. Und heute, all die Jahre später, möchte sie immer noch dieses kleine örtliche Unternehmen unterstützen, obwohl es die Damen vermutlich alle nicht mehr gibt. Oft frage ich mich, warum sie die Seife nicht en gros kauft und sich die monatlichen Besorgungsfahrten hierher erspart, aber ich glaube, der Ausflug zu Hardy’s ist für sie der Höhepunkt des Monats.
Schnell stecke ich mir ein Stück Seife in die Tasche und schaue auf die Uhr, ob es schon Zeit ist für eine Pause. Ich bringe Iris immer persönlich ihre Seife. Das ist für mich zum Ritual geworden, seit ich sie kennengelernt habe, kurz nachdem ich hier angefangen habe. Jenny, die noch recht neu im Laden war, kannte Iris noch nicht und meinte, wir führten diese Seife nicht. Woraufhin Iris Jenny bat, doch bitte im Lager nachzuschauen. Aber als Jenny zu mir hereinkam, verlor sie sich in der Schilderung, wie verzweifelt sie und ihr Mann sich bemühten, ein Baby zu bekommen. Eine halbe Stunde lang hörte ich geduldig zu, wie sie mir begeistert davon vorschwärmte, wie toll es wäre, endlich schwanger zu sein, und wie viel besser die Gina-Ford-Methode doch war verglichen mit dem Babyflüsterer, wenn das Kind dann erst mal da war. Sie redete so lange, dass sie vollkommen vergaß, weshalb sie überhaupt ins Lager gekommen war, bis ihr dann plötzlich die alte Dame wieder einfiel, die nach der Lavendelseife gefragt hatte. Als ich ihr erklärte, Iris sei die einzige Kundin, die diese Seife noch kaufte, weshalb wir sie im Lager ließen, statt sie im Verkauf anzubieten, zuckte Jenny bloß die Achseln.
»Tja, inzwischen ist sie sicher längst weg«, meinte sie lapidar, schaute dann auf ihre Uhr und rief hocherfreut: »Oh, Zeit für die Mittagspause! Ich gehe schnell zu Topshop und schaue mir mal die
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