Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
sauber, ordentlich und perfekt herzurichten, und auch wenn der äußere Anschein nicht gerade darauf schließen lässt, vergöttere ich Anmut und Schönheit ebenso sehr wie sie. Bisher habe ich nie den Drang verspürt, mich zu schminken, aber mit Carlys Make-up habe ich mich wie ein anderer Mensch gefühlt. Es war, als trüge ich eine Maske. Ich fühlte mich geschützt, selbstsicher, unantastbar, und darum habe ich mich auch zum ersten Mal seit langer Zeit wohl in meiner Haut gefühlt. Wäre ich bloß schon früher darauf gekommen.
Nervös schaue ich auf meine Armbanduhr. Ich habe nicht mehr viel Zeit. Noch immer stehen haufenweise Kartons mit Requisiten und Ware überall verstreut herum, die ganze Parfümerie ist ein einziges Chaos, aber ich schwebe im siebten Himmel. Ich fühle mich lebendig und voller Energie. Zuzusehen, wie die Auslage vor meinen Augen Gestalt annimmt, ist, als würde man ein Puzzle zusammensetzen; mit jedem weiteren Teil ist das große Ganze besser zu erkennen. Eine mühsame Arbeit, und doch unglaublich befriedigend.
Die nächste halbe Stunde arbeite ich wie im Rausch und wende den Blick nur von der Auslage, um hin und wieder auf die Uhr zu schauen. Die Zeit sitzt mir im Nacken, weil ich auf keinen Fallriskieren darf, von irgendwem gesehen zu werden – nun ja, mal abgesehen von der Putzkolonne. Die haben nichts zu tun mit den Verkäufern und der Geschäftsführung, und ich weiß, dass sie so mit ihrer eigenen Arbeit beschäftigt sind, dass ihnen nicht mal auffällt, was ich hier treibe. Bisher war ihre einzige Sorge, ob ich vielleicht Hilfe brauchen könnte. Jan Baptysta hat gesehen, wie ich eine große, schwere Kiste herumschleppe, und angeboten, sie mir abzunehmen, was ich sehr nett fand. Wobei er meinte, nun müsse ich ihn aber auch heiraten, weshalb ich nicht sicher bin, ob dieses Angebot wirklich selbstloser Natur war.
Schließlich atme ich tief durch, wische mir die schmuddeligen Hände an der Hose ab, trete einen Schritt zurück und begutachte mein Werk. Selbst ich muss über die wundersame Verwandlung staunen.
Die entsetzlichen Plastikkästen sind verschwunden. Stattdessen hat Jan über die bloßen Theken etliche mehrstöckige Kristalllüster aus den zwanziger Jahren gehängt, die früher einmal Teil der Ladendekoration waren, weil mir wieder eingefallen war, wie er mir irgendwann erzählt hat, er sei gelernter Elektriker. Eine der weißen Theken habe ich in einen Schminktisch wie aus einer Theatergarderobe verwandelt, indem ich einen altmodischen, mit Glühbirnen umrahmten dreiteiligen Spiegel aufgestellt habe, den ich im Warenlager aufgestöbert habe. Anschließend habe ich Fotos der glamourösesten weiblichen Filmstars aller Zeiten an den Spiegel geheftet, und darunter habe ich dann sämtliche Produkte der verschiedenen Kosmetikauslagen zusammengestellt, mit deren Hilfe sich der jeweilige Look nachahmen lässt. Ob man also auf Elizabeth Taylors unnahbare Schönheit steht oder auf Audrey Hepburns kultivierte Eleganz oder Marilyn Monroes umwerfenden Sexappeal, für jeden Geschmack ist was dabei. Make-up-Paletten liegen einladend aufgeklappt auf dem Schminktisch und scheinen nur darauf zu warten, dass man sie benutzt.In den Untiefen des Warenlagers habe ich sogar ein Paar mit Marabufedern besetzte Pantöffelchen gefunden, die ich unter dem Schemel platziert habe. Vergesst Gwen mit ihrer Puderquaste im Anschlag, ich möchte die Kunden dazu verführen, die Produkte ganz in Ruhe selbst auszuprobieren, sich hinzusetzen und ein bisschen damit zu spielen.
An der rückwärtigen Wand der Abteilung, hinter dem Verkaufstresen, habe ich mir die deckenhohen Regale zunutze gemacht, in denen sich normalerweise zahllose weiße Schachteln mit Feuchtigkeitscreme, Gesichtswasser und Reinigungsprodukten stapeln. Stattdessen habe ich fünfzig alte Parfumflakons, die ich gleich zu Anfang meiner Arbeit im Lager in Kisten verpackt entdeckt hatte, zu einer schlichten Auslage arrangiert. Sie sind alle in makellosem Zustand und selbst die Aufkleber sind noch intakt, wenn auch ein wenig ausgeblichen. Traumschöne Kristallglasfläschchen mit Zerstäuber sind darunter, altmodische französische Flakons und Tiegelchen mit verschiedenen Cremes und Lotionen. Die Produkte sind alle längst jenseits ihres Mindesthaltbarkeitsdatums, aber ich habe es einfach nicht übers Herz gebracht, die wunderschönen Behältnisse wegzuwerfen, also habe ich sie eines schönen Wochenendes kurzerhand mit nach Hause genommen, sie
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