Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
denken mit ihrem sorgfältig aufgemalten Lächeln, stets bereit, wie eine Tigerin jeden arglosen Kunden anzuspringen, der sich in ihr Revier verirrt. Womöglich würden die Leute ihr viel lieber etwas abkaufen, wäre sie nicht ganz so aggressiv in ihrem Verkaufsgebaren. Ich weiß, wie verzweifelt sie auf jede zusätzliche Provision schielt, um ihre enormen Kreditkartenschulden abzubezahlen, von denen ihr Mann nichts ahnt, aber ihre Verkaufsmethode zieht einfach nicht. Und ihren konstant niedrigen Verkaufszahlen nach zu urteilen bin ich nicht die Einzige, die schleunigst die Flucht ergreift, wenn Gwen oder Jenny mit dem Rougepinsel wedeln.
Ich bleibe stehen und werfe einen Blick auf die Auslage mit der Gesichts- und Körpercreme. In meinen Augen sieht das alles gleich aus, alles steckt in beinahe identischen fiesen pastell- und cremefarbenen Verpackungen. Bei dem Anblick sehne ich mich plötzlich heftig nach den herrlich eleganten, stilvollen und doch dekadenten Make-up-Verpackungen vergangener Zeiten: nach den wunderbar altmodischen vergoldeten Puderdosen, die immer noch kistenweise im Lager herumstehen; den dicken, duftigen Puderquasten und den glamourösen goldenen Lippenstifthülsen, die so einen wunderbaren Kontrast bildeten zu den purpur-, karmin- und korallenroten Tönen darin; ja, nach genau den Dingen, die ich im Gepäck habe.
Mit dem ramponierten Karton voller Schminke-Schätzchen und anderer Vintage-Bonbons, die im Lager verstauben, bleibe ich gedankenverloren eine ganze Weile dort stehen. Dann mache ich mich schließlich an die Arbeit, um die Bilder, die ich im Kopf habe, in die Tat umzusetzen, und bin sehr froh, dass ich diesmal gut vorbereitet bin. Ich habe keine Zeit zu verlieren, und es gibt viel zu tun.
Es hat nicht lange gedauert, bis mir klar wurde, was man bräuchte, um der Kosmetikabteilung ein ordentliches Facelifting zu verpassen. Ich habe mir überlegt, wie man die Frauen in Hardy’s hundert Jahre alte Kosmetikabteilung locken zu können. Und irgendwie habe ich den Verdacht, die meisten Frauen wollen, was wir uns schon immer gewünscht haben: einfache, aber wirkungsvolle und hübsch verpackte Produkte; keine wissenschaftlichen Forschungsergebnisse, keine leeren Versprechungen, keine endlosen, verwirrenden Farbspektren oder blutleeren Promi-Werbegesichter, nur ein kleines bisschen Feenstaub und Zauberei und die Versicherung, dass diese Produkte uns völlig verwandeln können. Womöglich stehe ich mit dieser Meinung allein da, aber ich möchte keine Bilder naturschöner Models mit strahlendem Teint sehen, die andächtig ihr Gesicht berühren und versonnen gen Himmel blicken, was umso mehr unterstreicht, dass sie auch ohne Hilfsmittel märchenhaft schön sind. Ich will keine Werbung für unsichtbares Make-up. Ich will Lippenstift, Puder und leuchtende Farben in all ihrer strahlenden Schönheit. Ich will Betty Grable und Rita Hayworth und Marilyn Monroe. Ich will Sophia Loren und Brigitte Bardot und Faye Dunaway. Ich will Farrah Fawcett und Joan Collins, verdammt. Ich will ellenlange Wimpern und knallige Lippen und perfekt geschminkte Augen.
Wenn ich eine Kosmetikabteilung betrete, will ich das Gefühl haben, mit ein paar Pinselstrichen und den richtigen Produkten könnte ich mich in eine dieser Frauen verwandeln. Und vor allem soll das ganze Spaß machen. Ich mag zwar keine Schminkexpertin sein, aber selbst ich stelle mir gerne vor, wie ich in einen Seidenkimono gehüllt vor einem Schminktisch sitze, mit Marabufedern besetzte Pantöffelchen an den Füßen, und Creme aus einem hübschen kleinen Glastiegelchen auftrage, und mir dann mit einem herrlich knallroten Lippenstift den Mund schminke, um anschließend zu einem heißen Date zu gehen. Denn darum geht es doch schließlich, oder? Dreht sich letztendlich nicht allesum Fantasiewelten und Tagträume und Verkleiden spielen? Ich will mich wie ein Star fühlen. Ich will mich wie eine Frau fühlen. So wie in der guten alten Zeit. Und ich bin mir ziemlich sicher, anderen Frauen geht es da nicht anders.
Vielleicht bin ich meiner Mutter ja doch ähnlicher, als mir lieb ist, denke ich, während ich durch die Abteilung wirbele, die gegenwärtige Dekoration aus den Regalen auf den Boden fege und mich schnell und sorgfältig daranmache, das Bild in meinem Kopf Wirklichkeit werden zu lassen. Genau wie für meine Mutter ist es auch für mich ein Kinderspiel, einen Raum im Handumdrehen – in der Zeit, die ich brauche, um einmal hindurchzugehen –
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