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Ein weißes Land

Ein weißes Land

Titel: Ein weißes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherko Fatah
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unsere Welt. Wir hielten uns von den Häftlingslagern meistenteils fern, mit dem Leben dort drüben verband uns nur die bis in die Nähe unserer Unterkünfte führende Eisenbahnlinie. Um das Lager herum gab es nichts als Baumhecken, blühende Krautsäume und das endlose Getäfel der Felder. Es war ein fruchtbares Land, dessen Tümpeln und Seen Schwärme von Insekten entstiegen, die wir uns mit dem Schweiß von der Haut wischen mussten.
    Wir lernten unablässig, ja, es schien, als würde neben dem Drill, der Ausbildung an schwerem Gerät und der Quälerei durch Tag- und Nachtmärsche auch der Unterricht niemals enden wollen. Inzwischen waren all die neuen Gedanken zum festen Bestandteil meines Lebens geworden, sie plagten mich, doch zugleich war ich dankbar dafür, dass sich überhaupt jemand unserer Unwissenheit annahm.
    Unser Lehrer hieß Berner, er war bereits an der Ostfront gewesen, wovon seine verstümmelten Finger Zeugnis ablegten: Sie waren ihm, so erzählte man sich, erfroren und beim Laden der Waffe abgebrochen, als wären sie aus Porzellan. Nicht nur die Weltanschauung lag ihm am Herzen, sondern auch die Erklärung dessen, was um uns geschah. Er beschrieb uns das alte Galizien als einen beispiellos verkommenen Ort, an dem der Mädchenhandel blühte, mit Menschen und Gütern geschachert wurde und wo unter dem Deckmantel der mosaischen Religion widerlichster Sittenverfall herrschte. Versunken in eine Schattenwirtschaft von Zuhältern, Gaunern, Bettlern, fliegenden Händlern und sonstigem lichtscheuem Volk stellte es ein Reservoir krimineller Elemente dar, welches unbedingt trockengelegt werden musste.
    »Das war, was sie über uns ausschütten wollten: libertinäre Vermassung, getarnt als demokratische Freiheit oder, wenn es so nicht geht, roten Terror, asiatischer Stil. Es gibt für diese Juden eine religiöse Welt uralter Gesetze und blutleerer Riten und eine diesseitige, in der sie sich jede Freiheit nehmen.«
    Berner war streng, aber auch nachdenklich und immer dann wirkte er verletzlich, seine großen Augen weiteten sich und die Wangen wirkten noch hohler als ohnehin schon. Die ganze Baracke war mucksmäuschenstill, bis er wieder zu sich kam. Ohne Überleitung sprach er weiter von den Juden, von der ungesunden sozialen Struktur ihrer Organisation, ihrer Verstädterung, dem Mangel an handarbeitenden und landbauenden Kräften in diesem Volk.
    Fadil fragte ihn nach Palästina und obwohl Berner jede Unterbrechung als eine Art Beleidigung auffasste, hielt er hier inne, besann sich kurz und sagte dann:
    »Man muss kein Muselman sein, um zu verstehen, dass dies eine der verrücktesten Utopien überhaupt ist. Das Judentum, 2000 Jahre auf Wanderschaft, will zurück in ein Land, zu dessen Boden es keinerlei Beziehung hat, es will einen Staat gründen auf der Basis einer Religion, die Hunderttausende Assimilationsjuden längst verworfen haben. Nicht einmal eine gemeinsame Sprache sprechen sie.« In stummem Lachen warf er seinen Kopf zurück. »Der Totengräber alles Nationalen will sich seinen eigenen Staat bauen, welche Ironie der Geschichte.«
    Wir hörten vom Sterben der kleinen Läden auf den Marktplätzen deutscher Städte, in denen stattdessen gewaltige Kaufhäuser von millionenschweren Juden gebaut wurden, die nichts anderes im Sinn hatten, als die von ihnen in Massen eingekauften Waren so billig feilzubieten, dass niemand ihrer Konkurrenz standhalten konnte. Die ganze Systemzeit über beherrschten diese Kriegsgewinnler, Börsenspekulanten, diese wurzellosen Internationalisten Deutschland.
    Einmal regte sich wieder Fadils Scharfsinn und er fragte, wie eigentlich dieselben Leute, die den Kapitalismus verbreiteten, den Bolschewismus erfunden haben könnten, der ja dessen erklärter Feind sei.
    Berner kam langsam herüber, stellte sich vor unsere Bank und hob seine Hand mit den Stummelfingern.
    »Sieh an, sieh an, der Muselman!« Er blickte in die Runde zu den stumm dasitzenden Kameraden. »Da denkt jemand mit – und lässt sich blenden.« Ein missbilligender Blick traf Fadil, Berner wandte sich ab, sprach aber weiter: »Die russische Revolution war von Juden inszeniert, all die Politkommissare, die roten Einpeitscher und Exekutoren, die wir an der Front aufgegriffen und sofort erschossen haben, waren Juden. Die Zerstörung der Ordnung Europas dient nur ihnen. Deshalb ist der Bolschewismus ihre schärfste Waffe, anstelle der schleichenden Zersetzung tritt hier die Mobilisierung der Massen.«
    Ehrfürchtig

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